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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihr beigebracht?« sagte Lagarto heiser und starrte Dr. Högli an. Es gab keine Brücke zwischen ihnen.
    »Ich hatte nicht nötig, zu belehren. In Santa Magdalena hat Evita von selbst sehen gelernt. Was noch fehlte, das hat ihr Pater Felix gesagt.«
    »Ein Kommunist als Priester!« Lagarto hieb mit der Faust gegen die Wand. »Ich weiß! Man kennt diese neue Form der Kirche! Sozialkampf von der Kanzel herunter! Und Sie, als Arzt, machen da mit!«
    »Er macht nicht mit – er tut nur seine Pflicht!« schrie Evita ihren Vater an. Sie war aufgesprungen und stand vor ihm, wie er sie noch nie gesehen hatte: geduckt, sprungbereit wie eine Katze, mit sprühenden Augen, das schöne, ebenmäßige Gesicht blaß und in der Leidenschaft verzerrt. »Er hilft! Mehr tut er nicht! Er ist ein Mensch! Und was bist du? Eine Geldmaschine! Das Zucken deines kleinen Fingers muß schon bezahlt werden! O Vater, in Santa Magdalena habe ich gelernt, mich vor euch zu ekeln!«
    Sie wandte sich ab, drehte Lagarto den Rücken zu und schlug die Hände vor ihr Gesicht. Die Stille, die plötzlich zwischen ihnen war, lähmte. Die heiße Luft wurde zu einer Last, die körperlich wehtat.
    »Wollen Sie noch mehr hören?« fragte Dr. Högli nach einer langen Zeit des Schweigens.
    »Ja«, sagte Lagarto tonlos.
    »Was?«
    »Ob das unser Ende sein soll …«
    »Es scheint so. Unsere einzige Chance ist die Hilfe von außen. Sie wird ausbleiben! Es bleiben dann noch zwei Möglichkeiten: Das Verdursten oder der Tod durch die verzweifelten Indios, die unsere Köpfe gegen Wasser eintauschen können. Das Angebot liegt vor.«
    »Paddy hat Wasser!« schrie Lagarto. »Er schwelgt in Wasser.«
    »Dann fahren Sie zurück! Niemand hält Sie davon ab, zu überleben.«
    »Ihr Wahnsinnigen!« Lagarto rannte wieder hin und her. »Was nützt euer Tod? Was erreicht ihr damit? Moderne Märtyrer sind Idioten!«
    »Wir haben unser Gewissen nicht verraten, das ist es, Lagarto. Aber das werden Sie nie verstehen.« Dr. Högli ging hinüber zu Evita und legte den Arm um ihre zuckende Schulter. »Wenn Ihre Vaterliebe so groß ist, wie Sie vorgeben, dann lassen Sie Evita und mich jetzt allein!«
    »Ich soll mein Kind verlassen? Bei Ihnen zurücklassen? Bei einem verbohrten Idealisten! Ich – ich –« Lagarto rang nach Atem. »Ich stifte eine Million Dollar für Ihr Hospital!«
    »Meskalin-Dollar«, sagte Evita mit erschreckend klarer Stimme. »Ersticke daran, Vater.«
    Von da ab hatten sie sich nichts mehr zu sagen. Lagarto ging ein paarmal vor das Haus und lief wie ein gefangenes Tier herum. Dann stand er ratlos vor dem Landrover. Noch einmal versuchen, durchzubrechen? Es war sinnlos. Mit Paddy sprechen? Er allein hatte die Möglichkeit, mit seinem Telefon die Verbindung zur Außenwelt wieder herzustellen. Er allein konnte Santa Magdalena, die Indios, das Hospital und damit auch Evita retten. Ein paar Griffe nur, das Aufdrehen der Sprühleitungen, das öffnen des Tores, die Freigabe des Wassers – und schon würde die kleine erbärmliche Welt von Santa Magdalena wieder in Ordnung sein.
    Jack Paddy … Aber der war ebenso wahnsinnig wie dieser Arzt und dieser Priester!
    In dieser langen Nacht beschloß Miguel Lagarto, Paddy zu töten. Er hatte noch nie einen Menschen mit eigener Hand umgebracht, noch nie ein Tier. Er jagte nicht, er fischte nicht. Er war Mitglied der Liga für Menschenrechte und im Vorstand des Nationalen Tierschutzverbandes. Es kostete jährlich eine Menge Dollars, aber man konnte sich vorne und hinten mit einem Schild behängen: Seht, welch ein edler Mensch!
    Doch jetzt war es nötig zu töten. Ein Mensch wie Paddy hatte kein Recht mehr zu leben. Es war Notwehr, nackter Kampf ums Überleben. Und es war die Pflicht eines Vaters, seine Tochter zu retten.
    Lagarto kehrte ins Haus zurück. Dr. Högli und Evita saßen auf dem alten Sofa und hörten aus dem Transistorradio Opernmusik. Sie hatten sich zurückgelehnt, Evitas Kopf lag an Höglis Schulter gelehnt, und sie genossen die Musik mit einer wahren Inbrunst. Ein gespenstisches Bild.
    Lagarto blieb auf der Schwelle stehen.
    »Ich werde zu Paddy zurückfahren«, sagte er. »Ich werde ihn töten! Dann habt ihr alle Wasser genug.«
    »Das müssen Sie verantworten, Lagarto.« Dr. Högli winkte ab. »Stören Sie unsere Oper nicht.«
    »Schicken Sie Ihre Indios ins Dorf und lassen Sie ausrufen: In einer Stunde gibt es für alle Wasser genug!« Er streckte die rechte Hand aus. »Doktor, leihen Sie mir Ihre Pistole. Und

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