Im Tal der bittersüßen Träume
drängte der Pater.
»Es war ein Plan des Alcalden, Doktor. Und damit es ein sicherer Plan ist, haben sie mich gerufen, und ich habe Rosalie untersucht. Ein ganz gesundes Mädchen wollte Mr. Paddy haben. Ich habe es bestätigt.«
»Weiter!« schrie Pater Felix.
»Ja, weiter …« Juan nickte mehrmals. »Rosalie wird nur noch bis morgen leben. Sie hat die Cholera.«
Dr. Högli atmete tief durch. Er wandte sich ab und steckte die Hände in die Hosentaschen. Pater Felix beugte sich vor.
»Das ist deine Antwort?« fragte er laut.
»Ja. Kann man eine andere geben?«
»Sie muß raus aus Paddys Bett!«
»Das hast du versucht?«
»Ja. Ich habe Juan zwei Ohrfeigen gegeben und bin sofort mit ihm zu Paddy gefahren!« Pater Felix zeigte auf Ximbarro. »Er heißt nur noch Juan, ist das klar? Das Wort Christo in seinem Namen streiche ich! Wie kann ein Mensch Christo heißen, wenn er so hinterlistig handelt?« Er sprang von der Bank auf und fächelte sich mit seinem Hut Luft ins Gesicht. »Sie haben das Tor nicht geöffnet. Die Capatazos, die ich zu ihm schickte, wurden niedergebrüllt. Und dann das Schrecklichste: Als ich ihnen die Wahrheit sagte, rührte sich keiner mehr vom Fleck. Sie standen wie angewurzelt. Ich habe ihnen mit Verweigerung der Beichte gedroht – was ich gar nicht darf! – sie rührten sich nicht! Ich habe gebettelt, hab sie beschimpft, ihnen die Kirche verboten, sie alle Mörder genannt … sie blieben stehen! Da habe ich geschossen … Zwei Magazine meiner Maschinenpistole habe ich in die Palisaden gefeuert … sie rührten sich nicht! Und Paddy selbst erschien einmal auf der Terrasse, bot tausend Dollar für den, der mich umlegte, und verschwand wieder, ohne mich anzuhören.« Pater Felix schleuderte seinen Hut auf die Erde. »Wie lange dauert die Inkubationszeit?«
»Das ist verschieden. Ein Tag, zwei Tage, aber auch bis zu vier Stunden hat man festgestellt.« Dr. Högli blickte auf seine Armbanduhr. »Paddy dürfte sich jedenfalls längst infiziert haben.«
»Dann müssen wir sofort handeln!« Pater Felix hob seinen staubigen Hut von der Erde und stülpte ihn über den Kopf. »Es gibt keinen anderen Weg mehr, Riccardo. Wir müssen das Haus stürmen! Alles, was noch kriechen kann, muß zur Hacienda kommen! Ich werde die Glocke läuten …«
Dr. Högli nickte. Pater Felix warf sich herum, rannte zu seinem Jeep zurück, sprang mit der Behendigkeit eines Artisten hinein und startete sofort. Der alte Wagen kreischte auf und schoß in die Dunkelheit hinein. Miguel Lagarto vertrat Dr. Högli den Weg.
»Sie machen den Blödsinn wirklich mit?« rief er. »Sie unterstützen ihn sogar?«
»Welchen Blödsinn?«
»Paddy bekommt die Cholera! Was wollen Sie denn noch mehr? Wenn morgen die Sonne aufgeht, sind alle Probleme gelöst! Santa Magdalena hat Wasser! Sie werden weiterleben, Dr. Högli. Meine Tochter wird weiterleben! Auf ganz natürliche Art wird es keinen Jack Paddy mehr geben!«
»Das nennen Sie natürlich? Das ist die hinterhältigste Art zu morden!«
»Und was wollen Sie dagegen tun?« Lagarto hielt Dr. Högli an den Rockaufschlägen fest. »Es ist passiert! Er hat bereits die Cholera! Er umarmt sie im Augenblick! Er küßt sie ab! Was wollen Sie da noch?«
»Ich will Paddy retten. Weiter nichts!«
»Sie Narr! Sie idiotischer Heiliger! Denken Sie doch an Ihre Frau! Denken Sie an meine Tochter! Meine Tochter! Meine Tochter!« Er schüttelte Dr. Högli. »Sie lieben ja meine Tochter gar nicht!« brüllte Lagarto. »Sie lieben nur eins: Ihr verbohrtes ärztliches Ethos! Wenn Sie Evita wirklich so sehr liebten, dann ließen Sie Paddy jetzt krepieren!«
Mit einem Ruck befreite sich Dr. Högli aus Lagartos Händen und rannte ins Hospital zurück. Dort hatte Juan-Christo bereits alle Gehfähigen alarmiert. Aus den Zimmern schwankten die ausgemergelten Kranken und drängten zum Ausgang. Auch Pierre Porelle erschien, mit Heilsalbe eingeschmiert, und aus seinem Einzelzimmer hörte man Tenabos laute Stimme brüllen: »Was ist los? Holt mich hier raus! Wer hat den Doktor erschlagen? Ihr Dreckskerle! Warum habt ihr den Doktor umgebracht?«
Er wollte aus dem Bett, aber seine dicken Beine trugen ihn noch nicht, die Schwäche in seinem massigen Körper war noch zu groß. Er knickte ein, fiel auf den Boden, rollte hilflos auf den Rücken, aber dann wälzte er sich mit lautem Keuchen herum und kroch wie ein Wurm weiter zur Tür.
»Wer hat ihn umgebracht!« brüllte er gegen den Boden. »Wer? Helft mir
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