Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
können, auch Matri zu liquidieren. Und damit hätte man den Vulkan Paddy zum alles vernichtenden Ausbruch gebracht.
    »Ein Vorschlag«, sagte Porelle leichthin, um seine wahren Gedanken zu überspielen. »Ich treffe mich übermorgen mit Paddy in El Angel.«
    »Wo ist denn das?« fragte Haverston und griff zum drittenmal nach der Flasche.
    »Das ist eine besondere Sache.« Porelle nippte elegant an seinem Apéritif. »El Angel besteht aus zwölf großen Wohnwagen. Sie sind zu einem Kreis zusammengefahren und stehen mitten in der Wüste östlich der Straße El Paso – Chihuahua. Die fleißigen Bewohner haben sogar eine Landepiste für Hubschrauber und Sportflugzeuge in den Sand gewalzt. Man muß es Blondie Mary lassen: Sie verwöhnt ihre Kundschaft, wo sie kann …«
    »Blondie Mary?« sagte Haverston gedehnt. »Was soll denn das bedeuten?«
    »El Angel – ich sagte es schon – ist eine besondere Einrichtung.« Porelle setzte sein Glas ab und strich sich mit den Fingerspitzen über sein Menjoubärtchen. »Es ist eine fahrbare Bordellstadt. Ein nomadisierender Puff. Dort werde ich Paddy zu einer letzten ernsten Aussprache treffen.« Porelle nahm Haverston die Whiskyflasche ziemlich grob aus der Hand und trug sie in den Glasschrank zurück. Als er sich wieder umdrehte, sagte er hart: »Erreiche ich nichts, Haverston, können Sie eingreifen.«
    Pater Felix erholte sich schnell. Er war nicht nur ein zäher Bursche, nein, das war es nicht allein, was ihn schon nach anderthalb Tagen wieder auf die Beine brachte. Ein völlig unheiliger Rachedrang pumpte ihn mit Kraft voll. Er ließ seine Haare gelb lackiert und wehrte Dr. Högli ab, der noch eine Flasche Äther opfern wollte, um auch diese Farbe abzuwaschen.
    »Mit den Haaren atme ich nicht, Riccardo«, sagte Felix. Seit diesem Tag waren sie Freunde geworden, nannten sich Felix und Riccardo und wußten, ohne daß sie sich das gegenseitig beteuern mußten, daß der eine für den anderen immer da sein würde. Wozu auch Phrasen dreschen – sie alle waren in der Sonnenglut zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammengebacken worden.
    Am folgenden Sonntag predigte Pater Felix in einer für einen Priester wirklich ungewöhnlichen Kleidung nicht von der kleinen Holzkanzel, sondern vor dem Altar. Er trug nur die knappe Badehose und war sonst nackt. Sein Körper schillerte noch immer grün, die gelben Haare glänzten in den Sonnenstrahlen, die durch die schmalen Fenster fielen. Um den Hals hatte er die gestickte Stola gelegt, das einzige kirchliche Gewand, und wie er so vor der ebenfalls bunt bemalten, kitschigen, aber genau die Vorstellung der Indios von der Herrlichkeit der Gottesmutter treffenden Marienstatue aus Gips stand, war er eine einzige Anklage, eine stumme, aber nicht zu übersehende Aufforderung, diese Schmach nicht länger zu erdulden.
    Die Indios, die Frauen und Greise, die erwachsenen Kinder und die Säuglinge in den Rückensäcken der Mütter – ja, sogar sie – schwiegen, als Pater Felix mit ruhiger Stimme aus dem Evangelium las und sinnigerweise die Stelle wählte, in der berichtet wird, wie man die hohen festen Mauern der Stadt Jericho mit Posaunenblasen zum Einsturz gebracht und die Stadt dann erstürmt hatte.
    Man soll nicht glauben, ein Indio denke nur an Essen, Saufen, Schlafen und Kindermachen. Wer hier in der Kirche von Santa Magdalena saß, verstand sehr gut, daß die Mauern der Hacienda Paddys ebenso zusammenfallen konnten wie jene von Jericho, allerdings nicht durch Posaunengeblase. Und wer den Priester da vorn vor der Mutter Gottes ansah, grün bemalt, mit lackierten gelben Haaren, mißhandelt wie die Märtyrer, von denen Pater Felix in den Bibelstunden so spannend erzählen konnte, begriff sofort, daß dieser Sonntag in der Kirche kein Sonntag wie die anderen vor ihm war.
    Nach dem Schlußgesang, einem heiseren Krächzen – denn wer hatte jetzt noch Feuchtigkeit genug im Mund, einen schönen Ton hervorzubringen! –, gingen die Indios schweigend hinüber zu ihren trostlosen Steinhäusern. Dr. Högli, der mit Evita ganz hinten an der Tür gesessen hatte, kam nach vorn, als alle die Kirche verlassen hatten. Juan-Christo war im Hospital geblieben und überwachte mit Matri das tägliche Abkochen und Filtern des Brunnenwassers. Dann begann die Rechnerei: Wieviel Liter haben wir gewonnen, wieviel kann jeder von Santa Magdalena bekommen, wieviel wird der Pater vom Kirchenbrunnen schicken? Überleben wir auch diesen Tag?
    »Sie sind ein raffinierter Hund«,

Weitere Kostenlose Bücher