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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorbei, als rede er eine andere Sprache. Evita war in Höglis Privatzimmer gerannt, um Papier und Kugelschreiber zu holen. »Mir scheint es wichtiger, Sie beruhigen die Indios, Felix.«
    »Da helfen keine Worte mehr. Sie haben gehungert, sie haben gedurstet, sie haben Typhus und Cholera ertragen, sie haben ihre Töchter gegen eine Kanne Wasser an Paddy verkauft. Ihr Dorf aber wollen sie nicht verlieren! Ich kann mit ihnen denken und fühlen, Riccardo.«
    Evita kam zurück. Pater Felix riß die Fiebertafel vom Bett, benutzte sie als Unterlage und schrieb auf, was Porelle berichtet hatte. Dann las er alles noch einmal vor und hielt Porelle den Kugelschreiber hin.
    »Nun Ihre Signatur, Monsieur.«
    Porelle unterschrieb mit zittrigen Buchstaben. Der Stift lag schwer in seiner Hand, als sei er mit Blei gefüllt.
    »Glauben Sie nicht, daß Sie damit Ihr Leben gerettet haben, Pater!«
    »Mein Leben! Porelle, Sie denken zu egoistisch, aber man kann es Ihnen nicht verübeln. Ich rette damit diesen armen Menschen da draußen ihre Heimat!«
    »Und wenn Paddy trotzdem mit der Zerstörung beginnt?«
    »Dann lege ich mein Priesterkleid ab und werde Terror mit Terror beantworten!«
    »So etwas nennt sich Pfarrer!«
    Pater Felix nickte und nahm Porelle den Kugelschreiber ab. »Und so etwas wie Paddy nennt sich Mensch!«
    Am Abend erschienen tatsächlich zehn Capatazos auf Pferden in Santa Magdalena und galoppierten mit Geschrei durch die Gassen. Ihnen folgte Antonio Tenabo mit dem schweren, einem Panzer gleichenden Geländewagen. Man hatte sogar ein großes Stahlschild, mit dem man sonst Felsbrocken wegdrückte, vor den Kühler montiert. Gegen diese Kraft der Zerstörung gab es keine Gegenwehr.
    Pater Felix ließ die Glocke läuten. Er hatte Paddy durch einen Indio die Aussage Porelles zugeschickt. Der Indio berichtete später, der große Señor habe die Zeilen gelesen, den Zettel zerknüllt und gegen die Hauswand geschleudert. Dann hatte er befohlen, daß alle Capatazos auf dem Platz vor der Hacienda anzutreten hatten, wie bei einem militärischen Appell. Was weiter geschehen war, wußte der Indio nicht. Paddy hatte ihn aus dem Tor peitschen lassen, und er war so katzenschnell gelaufen, daß er nur drei Schläge abbekommen hatte. Darauf war er sehr stolz.
    Nun rückte Paddys Streitmacht an, um Santa Magdalena zu zerstören. Die Indios hatten ihre Häuser geräumt. Sie standen draußen in der toten Abendsonne, zur Ohnmacht verurteilt, wehrlos der Vernichtung preisgegeben, wenn jetzt kein Wunder geschah. Die Kirchenglocke läutete zwar, aber was vermochte eine Glocke gegen das stählerne Ungeheuer, das Antonio Tenabo auf Santa Magdalena lenkte!
    Ein Indio hatte Dr. Högli gemeldet, was im Dorf gleich geschehen sollte. Er war so gerannt, daß er erschöpft auf den Boden fiel und schrie: »Wir werden sterben! Wir werden alle sterben! Sie vernichten uns, Padre, sie vernichten uns!« Dann lag er unbeweglich, wie tot, mit leeren Augen.
    Dr. Högli fragte nicht lange. Er ahnte, was Paddy mit dieser wahnwitzigen Tat erreichen wollte, und er wußte, daß er dieses Mal Erfolg haben würde. Der Durst hatte die Indios nicht zerbrochen. Aber wenn sie ihr Dorf freikaufen konnten mit dem Doktor und dem Pater, dann würden sie es tun. Und keiner dürfte sie deswegen verurteilen.
    Aus dem Nebenzimmer kam Evita. Sie trug zwei Gewehre und einen Gurt mit einer Pistole. »Komm«, sagte sie hart. »Sag bloß nicht wieder: Bleib hier! Ich liebe dich.«
    Dr. Högli atmete tief auf. Er griff nach dem Gurt, schnallte ihn um, nahm ein Gewehr und ging langsam hinaus in den Abend. Vor dem Hospital wartete bereits Juan-Christo mit dem Jeep. Auch Matri saß im Wagen, in Männerkleidern, eine Schrotflinte auf dem Schoß.
    »Ich hatte mir geschworen, nie einen Menschen zu töten«, sagte Högli, bevor er sich hinter das Steuer setzte. »Es gibt im Leben keine Situation, wo man töten muß, habe ich gesagt. Ich habe mich geirrt.« Er sah Evita an, sie erwiderte seinen Blick, und sie wußten, daß es vielleicht der letzte Blick sein würde, in dem ihre ganze Liebe lag.
    »Fahr!« sagte sie rauh. »Es gibt jetzt nur den Weg vorwärts!«
    Sie kamen ein paar Minuten zu spät. Als sie vor der Kirche eintrafen, war die große Schlacht bereits geschlagen – und es war gar keine Schlacht geworden.
    Das Wunder war nach Santa Magdalena gekommen. Es gab Indiofrauen, die später behaupteten, sie hätten gesehen, wie beim Klang der Glocke etwas Lichtblaues aus der roten

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