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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spürbar, sehr weich, weggleitend, einschlafend. »Sie hätten mich in den Hintern treten müssen, Felix.«
    »Warum? Ich wußte, daß Sie von selbst kommen. Dieser Petrus hat Christus in einer kritischen Situation dreimal verleugnet. Sie würden sich als Arzt niemals dreimal vor den Menschen verleugnen lassen! Das bewundere ich an Ihnen, Riccardo.«
    Dr. Högli richtete sich wieder auf. Er hob hilflos die Schultern. »Wo nehme ich drei Liter Dauertropf her?«
    »Zwei Capatazos sind wie die Irren zur Hacienda zurückgeritten, um Paddy zu alarmieren. Ich nehme an, er wird seinen Freund Mendoza Femola in Nonoava bitten, mit einem Hubschrauber alles heranzuschaffen.«
    »Zu spät, Felix. Er braucht den Einlauf jetzt! Nicht in zehn Stunden!«
    »Einfaches Wasser, Doktor?«
    »Ich brauche Glucose und alkalische Infusionen. Ich brauche Terramycin und Chloromycetin! Ich brauche Herz- und Kreislaufmittel! Vor allem aber Flüssigkeit, Flüssigkeit! Woher nehmen bei diesem Himmel!«
    »Versuchen wir es. Ich rechne damit, daß Paddy herunterkommt.«
    »In die Kirche?«
    »Ja. Er ist ein Mensch, der blendend verlieren kann!«
    Sie packten Tenabo an den Beinen und schleiften ihn weiter bis zum Eingang der Sakristei. Dort holte Pater Felix die drittletzte Flasche Meßwein und hieb an der Altarecke den Flaschenhals ab. »Hat das wirklich Sinn?« fragte er.
    »Alles, was Flüssigkeit ist, hat einen Sinn.«
    Sie flößten Tenabo etwas Wein ein, aber da er in seiner Ohnmacht nicht schlucken konnte, rann alles wieder heraus über Kinn und Hals.
    Während sie sich um den Kranken bemühten, füllte sich langsam die Kirche. Fast lautlos schoben sich die Indios in die Bänke; zwischen ihnen, als habe es nie Feindschaft gegeben, die Capatazos. Sie knieten nieder, blickten auf den hölzernen Christus und falteten die Hände.
    Ein Wunder war über Santa Magdalena gekommen. Im Augenblick der größten Gefahr verlor der mitleidloseste Feind sein Leben durch seinen eigenen Darm. Wenn das nicht Gottes Zeichen war …
    Wenig später traf Jack Paddy ein. Er brachte einen Thermoskessel voll Tee mit, ein großes Faß mit Wasser und aus der Hacienda-Apotheke zwei Glasflaschen mit Blutersatz.
    »Auch das können wir gebrauchen!« sagte Dr. Högli. »Alles, was flüssig ist!« Tenabo war aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. Er konnte schlucken, aber er schien seine Umgebung nicht mehr zu erkennen. Evita war mit dem Jeep unterwegs, um Infusionsnadeln und Schläuche zu holen.
    »Ich habe Femola angerufen«, sagte Paddy rauh. »Der Polizeihubschrauber holt alle nötigen Medikamente.« Er stand an der Sakristeitür und starrte Tenabo an. »Doc, Sie wissen, daß mich jeder Heiligenschein anwidert, und Sie tragen ihn gleich doppelstöckig. Trotzdem: Ich mag Sie irgendwie! Warum müssen wir uns zerfleischen?«
    »Ich habe selten eine so dumme Frage gehört, Paddy.«
    Um den Altar herum kam Pater Felix. Er trug über seiner Soutane und dem umgeschnallten Pistolengürtel die Stola.
    »Nehmen Sie den Hut ab, Sie Flegel!« bellte er den verdutzten Paddy an. »Hören Sie nicht: Ich komme zur Wandlung! Ich gebe das Abendmahl!«
    Paddy unterdrückte einen Fluch – aber er nahm den Hut ab und preßte ihn gegen die Brust. Pater Felix verschwand um den Altar, die Meßdiener, kleine Indiojungen, klingelten und schwenkten den Weihrauch. Die Glocke läutete.
    Seht, das ist mein Leib …
    An diesem Abend zog das ganze Dorf an Pater Felix vorbei und erhielt eine Hostie. Auch sämtliche Capatazos gingen in die Knie, schielten zu Paddy und ließen sich die Hostie in den Mund schieben.
    Paddy verstand: Hier war eine Macht, die stärker war als Terror, Drohungen und der große Durst. Hier half nur eins: der nackte Mord!
    Noch vier Tage Frist, dann kam Rick Haverston nach Santa Magdalena.
    Der sterbende Tenabo vor seinen Füßen stöhnte und krümmte sich in krampfartigen Muskelschmerzen. Dr. Högli kniete neben ihm, die Stethoskopschläuche in den Ohren. Es ging dem Ende zu. Atemnot, schnelles Absinken der Körpertemperatur zu unternormalen Werten, blasse Zyanose, ein Abfall des Blutdrucks, frequenter, fadenförmiger Puls. Die ab und zu noch auftretenden Entleerungen waren trüb-wäßrig, flockig, der typische ›Reiswasserstuhl‹. Hob man die trockene Haut ab, blieben die Falten stehen wie modelliert.
    »Verflucht, warum kommt der Polizeihubschrauber nicht?« sagte Paddy. »Ich begreife nicht, wozu Mendoza so lange braucht!«
    In der ersten Stunde der völligen Dunkelheit

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