Im Tal der flammenden Sonne - Roman
augenblicklich ihre letzte Bemerkung. »Meinst du wirklich, dass die Milch dir hilft?«, fragte sie leise.
Rita nickte, und ihre Miene wurde sanfter. »Sie sind sehr nett, Missus«, sagte sie. »Sie haben mich nicht einmal ausgeschimpft, wie Maggie es immer getan hat. Ich dachte schon, Sie wären böse auf mich.«
»Nein«, sagte Arabella. »Ich finde aber, du solltest keinen Alkohol mehr trinken, Rita. Nüchtern gefällst du mir viel besser, und Milch wird das Problem nicht immer lösen.«
Rita nickte und stand auf. »Ich hab doch gesagt, ich hör damit auf. Woher haben Sie eigentlich die Milch?«, fragte sie mit einem Blick auf den Krug.
»Es ist Kamelmilch«, sagte Arabella ängstlich.
Rita sah sie stirnrunzelnd an. Dann tat sie etwas, das Arabella bei ihr noch nie erlebt hatte: Sie kicherte. »Kamelmilch? Sie nehmen Rita auf den Arm!«, sagte sie, ehe sie sich erhob und kopfschüttelnd davonstapfte.
Bevor Lily und Missy ihr folgten, lächelten sie Arabella zu, als wüssten die beiden ganz genau, dass sie doch die Wahrheit gesagt hatte.
24
Als Arabella am nächsten Morgen mit der Arbeit begann, fiel ihr auf, dass Uri nicht bei Bess auf der Koppel war. Das Gatter war geschlossen; Uri konnte also nicht davongelaufen sein. Bess starrte in Richtung Ghan-Siedlung, die Ohren aufgestellt. Arabella kam der Verdacht, dass Paddy das Kameljunge an diesem Morgen abgeholt hatte.
»Keine Sorge, Bess, ich werde dir deinen Freund zurückbringen«, sagte sie zu der Stute, bevor sie den Weg zur Ghan-Siedlung einschlug.
»Wo ist Uri?«, wollte Arabella wissen, als sie Paddy in der Nähe der Kamelpferche sah. Er stand inmitten einer Gruppe von Männern, die in ein ernstes Gespräch vertieft waren. Als Arabella näher kam, gingen die Männer davon, ihr finstere, verächtliche Blicke zuwerfend, mit denen sie ihr vermutlich zu verstehen geben wollten, dass eine Frau ihren Platz kennen und sich nicht in die Angelegenheiten der Männer einmischen sollte.
»Ich habe Uri zu den anderen jungen Kamelen auf eine Koppel gebracht«, sagte Paddy gereizt, weil Arabella ihn vor seinesgleichen in Verlegenheit gebracht hatte. »Er muss bald lernen, dass er ein Leben als Arbeitstier führen wird. Das gehört zu seiner Ausbildung.«
»Er wird Bess vermissen, und sie vermisst ihn schon jetzt«, erwiderte Arabella.
»Die Stute ist nicht seine Mutter. Um sich wie ein Kamel zu verhalten, muss Uri mit anderen Kamelen zusammen sein.«
»Sie müssen ihn zurückbringen, Paddy, bitte!«
»Das kann ich nicht, sonst bleibt er in seiner Ausbildung hinter den anderen zurück. Ich habe eben mit meinen Kollegen über den Verkauf einiger junger Kamele gesprochen, und …«
»Verkauf? Sie haben doch nicht etwa vor, Uri zu verkaufen?«
»Ich hatte es nicht vor, aber ausschließen kann ich es auch nicht. Wir haben viele junge Hengste. Ein paar von ihnen werden als Packtiere verkauft, die anderen als Fleischtiere. Wenn Uri sich als Packtier bewährt, kann er bei den Auktionen in Broken Hill im nächsten Jahr einen stattlichen Preis erzielen.«
Arabella war den Tränen nahe. »Sie können Uri nicht verkaufen, erst recht nicht zum … zum Schlachten!« Sie brach in Tränen aus.
»Das habe ich doch gar nicht gesagt. Wenn er sich bei seiner Ausbildung als vielversprechend erweist, wird er als Packtier verkauft. Ich glaube, das ist sein Schicksal.«
Schicksal! Faiz Mohomet hatte dasselbe gesagt, und Arabella hatte es damals ebenso wenig gefallen. »Für mich hört es sich an, als wäre sein Schicksal sehr unsicher«, sagte sie.
Als er Arabellas Stimme hörte, drängte Uri sich an den anderen jungen Kamelen auf der Koppel vorbei und kam an den Zaun, wo er stehen blieb und einen kläglichen Laut ausstieß.
Arabella hörte ihn. Als sie sich umwandte, sah sie, wie Uri an das Geländer des Zauns gedrückt dastand, den Hals nach ihr ausgestreckt. Der Ausdruck seiner großen braunen Augen brach ihr fast das Herz. Sie ging zu ihm. Paddy folgte ihr.
»Ich vermisse dich auch«, sagte Arabella leise und rieb Uris samtige Nase. Der Gedanke, er könnte an einen Schlachter verkauft werden, war ihr unerträglich.
»Ich muss gestehen, dass er eine enge Bindung zu Ihnen entwickelt hat«, sagte Paddy, ging aber nicht so weit, Arabella zu erzählen, wie schwer es gewesen war, Uri aus dem Stall der Stute und hinüber zu den Kamelpferchen zu bringen. Paddy hatte Uri praktisch wegzerren und ihm mit einem Stock drohen müssen.
»Paddy, bitte
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