Im Tal der flammenden Sonne - Roman
möchte, dass wir nach ihm suchen, also solltest du jetzt besser mitkommen«, sagte Les. Er wusste, dass Wally morgens immer schlecht gelaunt war, daher versuchte er, dessen offensichtliches Desinteresse zu ignorieren.
»Wen kümmert dieser kleine Bastard?«, knurrte Wally. »Ich werde nicht nach ihm suchen.«
Les hatte damit gerechnet, dass Wally sich weigerte, doch heute verwunderte ihn sein unverhohlener Mangel an Mitgefühl. Er hatte Wally stets für einen Kumpel gehalten, er war nur immer ziemlich egoistisch gewesen. In letzter Zeit jedoch hatte er sich verändert, und nun war er angewidert von ihm.
»Er ist ein unschuldiges Kind, und er könnte gut dein Kind sein!«, sagte Les streng. Sie hatten nie darüber gesprochen, denn es war ein Tabuthema, doch sie hatten Gerüchte gehört, dass Missys Sohn von einem Weißen aus Marree sei. Und sie wussten beide, dass das sehr gut möglich war.
»Er ist nicht mein Sohn«, fauchte Wally.
»Er könnte aber deiner sein, und das weißt du genau«, gab Les zurück.
Wally staunte. In einem solchen Ton hatte Les noch nie mit ihm gesprochen. »Vielleicht ist er ja deiner«, entgegnete er.
»Vielleicht«, räumte Les ein. »Wie auch immer, wir werden nach ihm suchen, also zieh deine Stiefel an.«
Wally trug nichts als eine Unterhose, ein schmuddeliges Unterhemd und Socken – die Kleidung, in der er geschlafen hatte. Dass er seine Socken nie auszog, war nur eine seiner vielen Eigenarten, deshalb achtete niemand darauf.
»Na schön«, knurrte er. »Wir sehen uns in ein paar Minuten beim Hotel.«
»Nein. Ich warte hier«, sagte Les und verschränkte entschlossen die Arme.
Wally war gekränkt, dass Les ihm nicht vertraute. Er fluchte vor sich hin, als er in sein Schlafzimmer stapfte, um sich anzuziehen.
Terry sprach vor der Hintertür des Hotels mit den anderen Männern, als Les und Wally auftauchten.
»Wir werden uns aufteilen«, sagte Terry, nachdem die beiden sich der Gruppe angeschlossen hatten. »Les, du gehst am Fluss entlang nach Westen. Wally, du gehst nach Osten. Stuart wird alle verlassenen Gebäude in der Stadt und die Geschäfte absuchen, und Tony und ich gehen nach Westen in die Wüste, wo wir uns trennen und die Stadt umrunden werden. Auf diese Weise können wir ein größeres Gebiet abdecken.«
Tony sah, dass Wally nicht allzu glücklich war, doch er sagte nichts.
»Hoffen wir, dass der Regen weiter ausbleibt«, fügte Terry hinzu. »Wir treffen uns gegen Mittag wieder hier. Wenn wir den Jungen bis dahin nicht gefunden haben, müssen wir die Afghanen um Hilfe bitten.« Sie alle vermissten Jimmy – besonders in einer Situation wie dieser, in der sie seinen Spürsinn gut hätten gebrauchen können.
Wally trottete am Ufer des schlammigen Flusses entlang. Er war völlig desinteressiert, denn er war sicher, dass der Junge von seiner Mutter gefunden würde und dass sie alle nur ihre Zeit verschwendeten. »Ich weiß nicht, was der ganze Zirkus soll«, murmelte er vor sich hin. »Die verdammten Aborigines gehen doch ständig auf walkabout !« Sein Bein tat ihm weh, und er hätte liebend gern ein Bier gehabt. Immer wieder musste er daran denken, was Les gesagt hatte: dass einer von ihnen beiden der Vater des Jungen sein könnte. Doch Wally hatte Missys dahingehende Behauptungen nie ernst genommen. Sie hatte ihm schon oft zu sagen versucht, ihr Sohn sei von ihm, aber davon wollte Wally nichts wissen. Er hatte sich kaum jemals die Zeit genommen, einen genaueren Blick auf den Jungen zu werfen. Missy hatte sogar versucht, Wally zu bewegen, ihren Sohn im Arm zu halten, als dieser erst ein paar Tage alt gewesen war, doch Wally hatte sich geweigert und sich in die Bar verzogen, bevor Rita auftauchen konnte.
Wally blickte kaum auf den Fluss, als er nun an der Uferböschung entlangging. Das schlammige Wasser strömte sehr schnell und hatte die rote Farbe der Wüste angenommen. Abgerissene Äste, Zweige und Blätter trieben auf der trüben Oberfläche.
Irgendwann blieb Wally stehen, um eine Zigarette zu rauchen. Er war entschlossen, nur noch ein paar Schritte weiterzulaufen. Was sollte dieser ganze Aufwand?
Als er ein Blättchen und etwas Tabak zwischen den Fingern rollte, glaubte er ein Wimmern zu hören. Er sah sich um. Die Böschung des Flusses war stellenweise sehr steil, und es gab hier viel tote Vegetation, die an manchen Stellen übers Ufer hing. Wally glaubte schon, er habe sich das Geräusch nur eingebildet, als er das Wimmern von neuem hörte. Er trat
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