Im Tal der flammenden Sonne - Roman
eingenommen ist«, sagte Arabella kichernd.
Jonathan lachte. »Ganz recht. Ich könnte ein berühmter Schauspieler oder eine bedeutende Persönlichkeit sein. Dennoch bin ich ein und derselbe Mensch. Es ist mein Selbstbewusstsein, das den Unterschied macht. Den Mann, der geduckt auf dem Stuhl saß, würde man niemals respektieren, weil er keine Achtung vor sich selbst hat. Aber jeder würde den Mann achten, der hoch erhobenen Hauptes durchs Zimmer geht, als gehöre ihm die Welt. Egal, ob er einen Sonnenbrand hat oder nicht.«
Arabella seufzte. »Nur muss man so viel Selbstbewusstsein erst einmal aufbringen.«
»Das schaffen Sie schon«, sagte Jonathan und fuhr nach einer kleinen Pause leise fort: »Maggie hat mir Ihre Geschichte erzählt. Es tut mir sehr leid, was passiert ist.«
Arabella nickte. »Nach allem, was ich durchgemacht habe, verlangt Mr McMahon nun auch noch von mir, dass ich Maggie zur Hand gehe. Er glaubt mir nicht, dass mein Vater für alles bezahlen wird, deshalb will er, dass ich für mein Zimmer und mein Essen arbeite.«
»Ich finde, das ist ein faires Angebot«, meinte Jonathan.
Arabella schwieg, doch Jonathan konnte ihr ansehen, wie wenig der Gedanke ihr behagte.
»Sie werden sich doch zu Tode langweilen, wenn Sie den ganzen Tag bloß herumsitzen, bis der Zug wiederkommt«, fügte er hinzu.
»Aber ich weiß gar nicht, wie ich Maggie helfen könnte.« Arabella war es peinlich zuzugeben, dass sie auch sonst ihre Tage mit Nichtstun verbrachte und von Hausarbeit nicht das Geringste verstand. »Was soll ich tun?«
»Mit mir zu Abend essen«, sagte er unvermittelt. »Dann könnten Sie ausprobieren, wie es ohne Schleier ist, und Sie hätten mich als moralische Unterstützung. Und sagen Sie bitte Jonathan zu mir.«
Arabella blickte ihn verdutzt an, schaute dann aber enttäuscht an ihrem Kaftan hinunter. »Ich hab nichts anzuziehen. Dieses hässliche Ding da hab ich zum Schutz vor der Sonne gekauft, weil ich hoffte, einer der Aborigines würde mich nach Alice Springs bringen. Zum Essen würde ich es ganz sicher nicht tragen. Trotzdem danke für die Einladung.« Sie stand auf und ging schweren Schrittes in ihr Zimmer zurück, wo sie sich auf ihr Bett warf und sich von neuem ihrem Selbstmitleid überließ.
Eine Stunde später klopfte jemand an die Tür. Arabella stand auf und öffnete. Draußen war niemand, der Flur lag verlassen da. Die Tür zu Jonathans Zimmer war geschlossen. Dann erst bemerkte Arabella eine Schachtel auf dem Fußboden. Sie hob sie auf und nahm sie mit ins Zimmer. Zwei Kleider lagen darin, beide kurzärmlig und wadenlang, mit Gürtel und hinten mit Knöpfen zu schließen. Eines war weiß mit rotem Besatz, das andere hellblau mit marineblauen Borten. Beide Kleider waren geschmackvoll und modisch, zumindest für eine Stadt im Outback. Arabella faltete das beigefügte Blatt Papier auseinander. Die Mitteilung darauf lautete:
Ich hoffe, eines der beiden Kleider ist das richtige für ein gemeinsames Abendessen, und Sie haben bald Zeit. Jonathan.
Arabella war sprachlos. Er hatte ihr tatsächlich zwei Kleider gekauft! Sie betrachtete sie abermals, und ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. »Wie aufmerksam von ihm«, flüsterte sie. Sie freute sich so sehr, dass ihr gar nicht der Gedanke kam, es könnte unschicklich sein, ein Geschenk von einem fast Unbekannten anzunehmen. Sie fragte sich auch nicht, ob Jonathans Motive vielleicht nicht ganz uneigennützig waren.
Arabella warf einen Blick in den Spiegel über der Kommode. Würde sie den Mut haben, sich den Leuten unvermummt zu zeigen? Dann dachte sie an Jonathans Demonstration einer selbstbewussten Haltung, straffte die Schultern und hob stolz den Kopf.
5
Arabella probierte gerade das weiße Kleid an, als es klopfte. Tony stand draußen.
»Wir haben eben erfahren, dass wir heute über zwanzig Gäste zum Abendessen haben, deshalb braucht Maggie dringend Hilfe«, sagte er kurz angebunden. »Also sehen Sie zu, dass Sie hinunter in die Küche kommen.«
»Aber ich …«, stammelte Arabella.
»Und zwar jetzt gleich, Miss Fitzherbert«, sagte Tony ungeduldig.
Jonathan Weston, der durch die angelehnte Tür hindurch alles mit angehört hatte, öffnete diese ganz. Erfreut stellte er fest, dass Arabella eins der Kleider trug, die er ihr vor die Tür gelegt hatte. Er lächelte in sich hinein, als er an seinen Handel mit Mohomet Basheer dachte: Als Gegenleistung für die beiden Kleider hatte er den
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