Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Treppe, die nach oben führte.
»Hätten Sie Lust, mich morgen zu einem Spaziergang zu begleiten?«, fragte Jonathan unvermittelt.
»Wohin denn?« Es gab kein Fleckchen in Marree, das zu erkunden Arabella gereizt hätte.
»In die Ghan-Siedlung. Ich möchte, dass Paddy Khan mich morgen zum südlichen Lake Eyre bringt. Ich will an dem See ein paar Aufnahmen machen.«
»Ich glaube nicht, dass ich mitkomme«, sagte Arabella.
Jonathan überraschte das nicht.
»Werden Sie auch schwimmen gehen?«
Jonathan lachte. »Ich hätte bei dieser Hitze nichts gegen ein erfrischendes Bad einzuwenden, aber das geht leider nicht. Der Lake Eyre ist ein ausgetrockneter Salzsee, der sich nur in der Regenzeit mit Wasser füllt, das Flüsse wie der Diamantina River und der Warburton Creek von Queensland herunterbringen. Das kommt nur alle paar Jahre vor. Ich bin schon einmal dort gewesen. In der Morgendämmerung und bei Sonnenuntergang ist das Licht einzigartig, deshalb möchte ich unbedingt noch ein paar Fotos machen.«
»Und was tun Sie mit den Bildern?«
»Wenn ich genügend gute Aufnahmen habe, veranstalte ich eine Ausstellung und verkaufe sie.«
»Sind Sie ein guter Fotograf?«
»Na ja, ich denke schon.«
Er hatte gehofft, Arabella werde ihn begleiten, damit sie ihre Vorbehalte gegen die Stadt und deren Einwohner ablegte. Er versuchte es noch einmal. »Möchten Sie nicht doch mitkommen? Die Afghanen sind wunderbare Menschen, wenn man sie erst einmal näher kennt. Und Paddy ist ein richtiges Original. Wie sein Name schon verrät, ist er ein halber Ire.«
Arabella wirkte unschlüssig.
»Kommen Sie schon, sagen Sie Ja«, drängte er. »Wir werden nicht lange weg sein, und die Abwechslung wird Ihnen guttun.«
»In Ordnung, meinetwegen«, willigte Arabella ein, aber wirklich überzeugt hatte er sie ganz und gar nicht.
6
Als Arabella am nächsten Morgen in die Küche kam, war Maggie bereits da. Sie hatte die schmutzigen Gläser zum Spülen bereitgestellt. Missy und Lily betraten die Küche im gleichen Augenblick wie Arabella, allerdings durch den Hintereingang. Rita folgte ihnen. In ihrem sauberen rosaroten Hemd sah sie ungewohnt adrett aus.
Arabella fand es seltsam, dass sie eine so feminine Farbe wie Rosa bevorzugte. Rita beachtete sie nicht, worüber sie ganz froh war, und Missy und Lily standen mit gesenkten Köpfen da. Die beiden kamen Arabella wie zwei ungezogene Schulmädchen vor, die zur Direktorin zitiert worden waren.
»Die zwei wollen Ihnen was sagen, Missus.« Rita starrte Lily und Missy so finster an, dass Arabella sie unwillkürlich bemitleidete.
Ohne den Kopf zu heben, blickten die beiden Maggie von unten herauf an. »Es tut uns leid, dass wir Sie im Stich gelassen haben, Missus«, murmelte Lily.
Mit einem Blick auf die schmutzigen Gläser fragte Missy: »Können wir Ihnen jetzt helfen, Missus?«
Maggie war viel zu müde, um den beiden den Kopf zu waschen, wie sie es verdient hätten. »Zwei meiner Gäste haben gestern Abend das ganze Geschirr und das Besteck abgewaschen«, sagte sie. »Und das Spülen der Gläser hätten sie mir auch noch abgenommen.« Sie hatte es ja selbst machen wollen, doch das brauchten Missy und Lily nicht zu wissen.
»Bitte, Missus«, flehte Lily.
Maggie wusste, dass sie das Geld brauchten. »Also gut. Wisch den Boden auf, Lily. Und du, Missy, kannst schon mal mit den Gläsern anfangen. Aber ich werde euch nur die Hälfte von dem geben, was ich euch versprochen habe, weil ihr nur die halbe Arbeit leistet und außerdem gestern Abend einen Teller zerbrochen habt, wie ich gehört habe.«
Missy nickte. »Sicher, Missus. Das ist nur gerecht.«
Sie hatte ein blaues Auge, wie Arabella jetzt erst auffiel, und Lilys Gesicht war zerkratzt. Ob das von ihrer handgreiflichen Auseinandersetzung herrührte? Oder war Rita gegen die beiden Frauen gewalttätig geworden? Arabella traute es ihr zu.
»Wie geht’s dir heute, Rita?«, erkundigte sich Maggie.
»Gut, Missus.«
»Würdest du die Finger vom Schnaps lassen, würde es dir noch besser gehen. Du weißt, dass du das Zeug nicht verträgst.«
»Ja, ich weiß, Missus.« Rita rieb sich den Bauch und verzog das Gesicht.
Maggie vermutete, dass sie an einem Magengeschwür litt. Aber es war sinnlos, Rita auf die Gefahren des Alkohols hinzuweisen; sie würde sowieso nicht mit dem Trinken aufhören. Der Alkohol war ihr schwacher Punkt, und dummerweise wussten das auch die Männer. In betrunkenem Zustand war Rita nicht
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