Im Tal der flammenden Sonne - Roman
in der Lage, die Aborigine-Frauen zu beschützen, und das nutzten manche Kerle aus. Einige machten sich sogar einen Spaß daraus, Rita regelrecht abzufüllen, was allerdings nicht so leicht war: Sie konnte die meisten Männer unter den Tisch trinken.
Arabella hatte die Schüssel mit heruntergebracht, in der sie ihr weißes Kleid eingeweicht hatte. Das Wasser hatte sich grau gefärbt vom Ruß. Als Rita fort war, fragte sie:
»Wer macht eigentlich die Wäsche, Maggie?«
Maggie warf ihr einen erstaunten Blick zu und schaute dann in die Schüssel. »Ich wasche meine und Tonys Sachen und die Bettwäsche aus den Gästezimmern. Ihre Sachen waschen die Gäste selbst. Wenn Sie wollen, können Sie sich einen Eimer Brunnenwasser holen, um das da auszuwaschen«, fügte sie hinzu und deutete mit dem Kinn auf die Schüssel.
Jetzt war es Arabella, die verdutzt die Augen aufriss. »Ich?«
»Natürlich. Wer sonst?«, versetzte Maggie. »Die Pumpe ist hinter dem Haus, zwischen dem Hühnerstall und dem Gemüsegarten.«
»Ich … ich dachte, Sie hätten jemanden, der die Wäsche macht.«
»Du meine Güte, wo denken Sie hin! Das mag in England so sein, hier draußen ganz sicher nicht. Wir verdienen nicht so viel, dass wir uns Angestellte leisten könnten. Tony und ich machen fast alles selbst. Wenn wir Fleisch brauchen, schlachtet er ein Lamm oder einen Ochsen, und wenn das Dach undicht ist, repariert er es. Ich backe Brot in unserem Backhaus, manchmal für die ganze Stadt, und die Fenster putze ich auch allein, obwohl es bei dem ständigen Staub die reinste Zeitverschwendung ist. Ich kann Lily und Missy für den Abwasch anstellen, wenn sich mehr als zehn Gäste zum Essen angekündigt haben, aber ich kann ihnen nicht viel bezahlen.«
Arabella verließ die Küche mit gesenktem Kopf. Sie beschloss, erst einmal zu frühstücken und sich ihr Kleid später vorzunehmen. Sie schauderte beim bloßen Gedanken ans Wäschewaschen.
Als sie bei Tee und Toast im Speisesaal saß, kam Jonathan herein.
»Ich hab glatt verschlafen«, gestand er verlegen. »So viel zu meinen guten Vorsätzen! Aber Maggie hat mir gerade gesagt, dass Lily und Missy den Abwasch machen.«
»Ja, zum Glück«, erwiderte Arabella und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, sich zu ihr zu setzen.
»Steht unsere Verabredung zu einem Spaziergang in die Ghan-Siedlung noch?«
»Nein, es ist etwas dazwischengekommen. Ich muss das weiße Kleid, das Sie mir geschenkt haben, waschen.«
Jonathan hatte das Gefühl, dass es nur eine Ausrede war. »Wenn Sie mich nicht in die Ghan-Siedlung begleiten, versäumen Sie was«, sagte er, schenkte sich Tee ein und nahm sich eine Scheibe Toast. »Wissen Sie eigentlich, dass es die Afghanen waren, die mit ihren Kamelen das Outback erschlossen haben?«
Arabella schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Die ersten Afghanen sind 1838 in Südaustralien eingetroffen. Sie verdingten sich als Führer für Expeditionen im Outback und halfen später beim Bau der Telegrafenleitung und der Eisenbahnlinien. Sie errichteten auch Zäune und versorgten die Minen und Farmen im Landesinnern mit allem Lebensnotwendigen, bis die Eisenbahn regelmäßig verkehrte …«
Ein junger Mann betrat den Speisesaal. »Guten Morgen!«, grüßte er fröhlich.
»Guten Morgen, Stuart«, antwortete Jonathan.
Der junge Mann wandte sich an Arabella. »Ich habe mich Ihnen noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Stuart Thompson.« Er blickte sie gut gelaunt aus seinen blauen Augen an.
»Arabella Fitzherbert …«, sagte sie stockend. Stuart war jünger, als sie gedacht hatte. Am Abend zuvor war sie viel zu beschäftigt gewesen, als dass sie ihn genauer hätte betrachten können. Er sah gut aus und war zwanglos gekleidet. Die Ärmel seines Hemdes hatte er aufgekrempelt, dazu trug er eine leichte Hose. Seine Arme waren braun gebrannt, und die Sonne hatte helle Strähnen in seine langen blonden Haare gebleicht, was im Kontrast zu seinen ungewöhnlich blauen Augen attraktiv aussah. Er wirkte sehr männlich. Arabella musste sich zwingen, den Blick von ihm abzuwenden.
»Die Männer haben Ihnen den Spitznamen Fitzi verpasst, nicht wahr?«, sagte Stuart.
Sie sah ihn an und bemerkte den Schalk in seinen blauen Augen. »Wagen Sie es ja nicht, mich so zu nennen«, erwiderte sie mit einem Schmunzeln.
»Wie ich sehe, haben Sie sich gestern einen Sonnenbrand geholt, Stuart«, sagte Jonathan.
»Ja, im Norden ging ein verdammt heißer Wind, da hat man gar nicht gemerkt, wie die Sonne
Weitere Kostenlose Bücher