Im Tal der flammenden Sonne - Roman
fragte Arabella traurig.
»Zwei Tage lang hat er es gar nicht beachtet, doch dann akzeptierte er es als neuen Freund. Ich habe etwas sehr Wichtiges vom alten Henry gelernt, wissen Sie. Freundschaft kann alle Gegensätze, alle Schranken überwinden, gleich welcher Art. Wir Menschen würden gut daran tun, uns darauf zu besinnen. Es ginge sehr viel friedlicher auf der Welt zu.«
»Und was ist aus dem Kater geworden?«
»Er starb ein paar Monate später. Wahrscheinlich an Altersschwäche. Vielleicht auch an einem Schlangenbiss.«
Arabella machte ein trauriges Gesicht. »Und das Küken?«
Paddys Augen funkelten, und er hob gleichmütig die Schultern.
Arabella riss die Augen auf. »Sagen Sie bloß nicht, Sie haben es gegessen?«
Als Paddy nicht sofort antwortete, sah sie ihn bestürzt an.
Er lachte auf. »Ich habe es behalten, und aus dem Küken ist eine hervorragende Legehenne geworden.«
Arabella, Jonathan und Stuart frühstückten an diesem Morgen gemeinsam im Speiseraum. Sie unterhielten sich über Jonathans geplanten Ausflug zum Callanna Creek. Arabella errötete unwillkürlich, sooft Stuart das Wort an sie richtete oder sie nur anschaute. Jonathan entging das nicht. Er hoffte, dass sich keine Beziehung zwischen den beiden anbahnte, denn er war sicher, dass Stuart nur mit Arabellas Gefühlen spielte.
»Das Flussbett ist zwar ausgetrocknet, aber es ist trotzdem wunderschön dort«, sagte Jonathan. »Die Eukalyptusbäume, die an beiden Ufern wachsen, sind ein Paradies für Vögel. Und wie das Sonnenlicht je nach Tageszeit durchs Laub fällt, hat etwas Magisches.«
Arabella lauschte ihm gebannt. Jonathans poetische Sicht der Dinge faszinierte sie. Sie wünschte sich, die Welt durch seine Augen sehen zu können.
»Sind Sie auch schon mal dort gewesen?«, fragte sie Stuart.
»Orte, an denen kein Gold zu finden ist, interessieren mich nicht«, erwiderte er. Als er den befremdeten Gesichtsausdruck Jonathans und Arabellas sah, musste er lachen.
Arabella zog es vor, das Thema zu wechseln. »Wie oft füllt der Lake Eyre sich eigentlich mit Wasser?«
»Sehr selten«, antwortete Jonathan. »In diesem Jahrhundert noch kein einziges Mal. In William Creek habe ich mich mit einem alten Mann unterhalten, der es nur ein Mal miterlebt hat. Er sagte, kaum sei das erste Rinnsal ins Salz geflossen, seien wie durch ein Wunder Millionen Vögel erschienen, wie aus dem Nichts … Pelikane, Schlammstelzer, Silbermöwen und viele andere. Vögel, die etliche tausend Meilen geflogen sein mussten, um zu dem See zu gelangen. Kein Mensch kann sich erklären, woher sie wissen, dass es mitten in der Gluthölle der Wüste plötzlich Wasser gibt. Wenn der Lake Eyre einmal entsteht, ist er der salzreichste See der Welt, obwohl aus dem nordöstlichen Queensland, aus dem Warburton und dem Cooper Creek, Süßwasser zufließt.«
»Wie kommt das?«, fragte Arabella.
»Der Boden des Sees besteht aus einer dicken Schicht von fast reinem Salz.«
»Salz? Wie kommt es dahin?«
»Der See liegt mehrere Meter unter dem Meeresspiegel. Er soll früher ein Binnenmeer gewesen sein.«
»Maggie hat mal einen südlichen Lake Eyre erwähnt. Gibt es auch einen nördlichen?«
Jonathan nickte. »Ja, die beiden Seen sind durch den Goyder Channel verbunden. Normalerweise füllt sich erst der nördliche See, und von dort fließt das Wasser nach Süden. Der alte Mann erzählte mir, die Seen seien ein prachtvoller Anblick. Durch die Salzkristalle erscheine das Wasser mal rosarot, mal blau. Und der Sonnenuntergang spiegle sich in sämtlichen Farben auf der Oberfläche. Ich würde alles dafür geben, das einmal zu sehen.«
»Glauben Sie, es besteht die Chance, dass der See sich füllt, solange ich da bin?«, fragte Arabella aufgeregt.
»Das kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, denn es ist seit der Besiedlung Australiens durch die Europäer erst zwei Mal passiert. Aber ich hoffe, dass ich lange genug lebe, um dieses Naturschauspiel einmal miterleben zu können.«
Arabella wünschte sich, sie könnte es auch sehen.
»Warum kommen Sie nicht mit zum Callanna Creek?«, fragte Jonathan und blickte sie an.
Arabella war freudig überrascht von seinem Vorschlag. »Ich weiß nicht recht«, sagte sie dennoch zögernd. »Hätten Sie nicht auch Lust mitzukommen?«, wandte sie sich an Stuart. »Vielleicht gibt es ja doch Gold dort.«
»Ich werde bestimmt nicht die Wege gehen, die ein Goldgräber nehmen würde«, warf Jonathan ein, »aber ich würde mich
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