Im Tal der flammenden Sonne - Roman
draußen gemacht?«, fragte Arabella neugierig.
»Er transportierte Waren mit einem Kamel von Port Augusta nach Woomera, nicht weit von Island Lagoon entfernt. Meine Mutter hat mir die Geschichte vom edlen Ritter, der auf einem Kamel statt einem Schimmel heranritt und sie rettete, viele Male erzählt. Mein Vater war der Held, dem sie buchstäblich ihr Leben zu verdanken hatte. Obwohl sie sich nach der bitteren Enttäuschung in Coober Pedy geschworen hatte, nie zu heiraten, hätte sie meinem glutäugigen, gut aussehenden Vater einfach nicht widerstehen können, erzählte sie mir.« Paddy lächelte. »Meine Mutter ist eine ungewöhnliche Frau. Leider habe ich bisher noch keine getroffen, die meinem Aussehen nicht widerstehen konnte, aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben.«
»Wo ist Ihre Mutter heute?«, fragte Arabella.
»Sie wohnt in Broken Hill, einer Goldgräberstadt in New South Wales.«
»Und Ihr Vater, lebt er auch noch?«
»O ja. Meine Eltern sind nicht mehr die Jüngsten, aber sie sind zufrieden und glücklich in der Ghan-Siedlung dort. Durch die Eisenbahnlinie sind die Kameltreiber praktisch arbeitslos geworden – sie werden nicht mehr gebraucht, um Waren zu transportieren. Würde der Zug nicht ein-, zweimal im Jahr ausfallen, wäre ich schon längst nicht mehr in Marree. Wenn die Zugverbindungen eines Tages so zuverlässig werden, dass es hier keine Arbeit mehr für mich gibt, ziehe ich zu meinen Eltern nach Broken Hill.«
Schweigend ritten sie weiter. Arabella wusste von Jonathan, dass sie ihr Ziel noch vor Mittag erreichen würden, weil Callanna Creek nur etwa acht Meilen von Marree entfernt lag. Die Sonne am endlosen blauen Himmel stieg langsam höher. Es wurde mit jeder Minute heißer, und die Fliegen ließen ihnen keine Ruhe mehr.
Von Zeit zu Zeit trug der Wind einen scheußlichen Verwesungsgeruch heran. Arabella rümpfte die Nase. »Was riecht denn hier so fürchterlich?«
»Dürfte ein Tierkadaver sein«, antwortete Paddy. Dem Gestank nach musste es sich um ein größeres Tier handeln. Eine düstere Vorahnung überkam den Kameltreiber.
Der Geruch wurde schlimmer, und das Summen der Fliegen schwoll immer mehr an. Vor einem Sandhügel hielt Paddy und schlug vor, dass Jonathan und Arabella sich einen Moment ausruhten, während er der Sache auf den Grund ging. Jonathan konnte sich schon denken, was dahintersteckte: Paddy wollte Arabella den schaurigen Anblick eines verwesenden Kadavers ersparen.
Paddy ritt über den Hügel, während Jonathan und Arabella warteten. Keiner sprach ein Wort. Der Verwesungsgeruch war so entsetzlich, dass Arabella sich Nase und Mund zuhielt. Uri, der an ihrer Seite geblieben war, war unruhig geworden und fing wieder zu schreien an.
»Was hat er denn?«, wunderte sich Arabella. »Er war die ganze Zeit so friedlich.«
Jonathan zuckte die Achseln. »Es kommt vor, dass ein Farmer ein Kamel erschießt. Sofern das Tier nicht mit einer Plakette am Hals gekennzeichnet ist, darf er das. Vielleicht ist es ein totes Kamel hinter dem Hügel, und Uri spürt es. Paddy wird es uns gleich sagen.«
Uri zog witternd die Luft ein. Plötzlich stieß er einen kehligen, herzzerreißenden Laut aus und galoppierte unvermittelt los, den Hügel hinauf.
»Uri!«, rief Arabella. Sie sah Jonathan mit vor Angst geweiteten Augen an. »Wenn er sich verirrt!«
Jonathan trabte dem Fohlen nach, das hinter der Düne verschwunden war. Arabella folgte ihm. Auf der anderen Seite angelangt, erblickten sie in etwa fünfzig Metern Entfernung Paddy, der sein Kamel hatte abliegen lassen. Uri umkreiste ihn laut schreiend.
Als sie näher kamen, bemerkten sie Paddys erschütterten Gesichtsausdruck. Jetzt konnten sie auch erkennen, dass er vor den Überresten dreier Kamele hockte, eines sehr großen und zwei kleinerer. Jonathan war sofort klar, dass etwas nicht stimmte – Paddy würde wegen ein paar verendeter wilder Kamele kein so betroffenes Gesicht machen.
In der Hitze war der Verwesungsgeruch kaum auszuhalten, und der Anblick der verfaulenden Kadaver löste bei Arabella Brechreiz aus.
»Nicht näher kommen!«, befahl Paddy.
Arabella blieb wie versteinert im Sattel sitzen. Sie beobachtete Uri, der kläglich blökend dastand. »Was hat er denn?« Ihre Stimme klang gedämpft, weil sie sich Mund und Nase zuhielt.
»Er weiß, dass das seine Mutter ist, sie ist erschossen worden«, antwortete Paddy traurig.
»O nein!«, entfuhr es Arabella. Ihre Augen füllten sich mit Tränen beim Anblick
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