Im Tal der Mangobäume
wanderte Harry allein über die Felder zum Haus. Er hatte ihnen gesagt, er würde lieber ohne Begleitung gehen. An den Ort, den er noch immer nicht als Zuhause bezeichnen konnte.
Er war wieder dreizehn, kletterte mühelos über den Zaunübertritt, eine Segeltuchtasche über die Schulter geworfen, und ging hinüber zur Koppel, wo ein nervöses Pferd auf der Suche nach Gesellschaft wiehernd auf ihn zukam. Er tätschelte es, redete kurz mit ihm und ging dann weiter, schwang sich über das Tor, zufrieden mit sich selbst … Zuvor hatte er das nicht gekonnt.
Wenn man es sich recht überlegte, lachte er und klapperte in seiner Tasche mit Streichhölzern, konnte man nun eine Menge Sachen tun, die zuvor nicht möglich gewesen waren, wie etwa ohne Angst ins Haus zu gehen. Denn natürlich hatte man vor Gillie Angst gehabt, auch wenn man es nicht zugeben wollte. Die hatte er schon als kleiner Junge gehabt, als Gillie ihn quer durch die Küche getreten hatte und er in der Tasche mit Äpfeln gelandet war.
George hatte ihm erzählt, seine Nachbarn hätten nach Hesters Beerdigung mit angepackt und sich um die Farm gekümmert, während sie ihn ausfindig zu machen versucht hatten.
»Du weißt schon«, meinte er traurig. »Die Kühe melken, das Pferd füttern und dergleichen.« Harry war ihnen dafür sehr dankbar.
»Die Damen haben das Haus in Schuss gehalten«, hatte er hinzugesetzt. »Aber Annie hat gemeint, sie hätten bloß abzustauben brauchen. Deine Mutter hat das Haus blitzblank hinterlassen.«
Harry hatte genickt. »Denke ich mir.«
Er zuckte die Achseln, zündete die Lampe auf dem Küchentisch an und sah sich um. Dann erforschte er das Haus, die Lampe in der Hand. Nichts schien sich verändert zu haben, bis auf sein Zimmer, einen Teil der Hinterveranda, den man zu einer Kammer umgebaut hatte. Inzwischen war es zu einer weiteren Speisekammer mit Regalen für Eingemachtes und Behältern mit Kürbissen, Kartoffeln und anderen Gemüsearten umfunktioniert worden, die seine Eltern nie mit jemandem teilten. Eher ließen sie sie verderben. Er erinnerte sich an den sauren Geruch fauliger Kartoffeln, die er aus dem Behälter hatte fischen müssen.
»Tja«, meinte er, »das wäre mal das.«
Er schlief – in voller Montur – auf der harten Couch. Er wollte nichts von diesem Haus, wusste aber, dass er bleiben und die Farm instand halten musste, bis er einen Käufer gefunden hatte.
Am Morgen entdeckte er die benötigten Unterlagen in den Küchenschrankschubladen, in denen sie immer aufbewahrt wurden. Die auf Gillies Namen ausgestellte Eigentumsurkunde für die Farm. Sein Sparbuch, Quittungen, alte Briefe, Gemeinderatsmitteilungen und sogar die Heiratsurkunde seiner Eltern – alles war da. Aber keinerlei Testament. Keiner von beiden hatte ein Testament hinterlassen. Was ihrem Sohn nur recht war.
Er schlüpfte aus seinen guten Kleidern, fand an einem Nagel an der Hintertreppe ein paar alte Arbeitshosen, zog eine davon an und machte sich auf den Weg zur Koppel, wo er auf dieselbe Art wie früher rief: »Na kommt, na kommt!«, und die Kühe, auch wenn sie ihn nicht kannten, darauf reagierten. Sie trotteten zu dem roh gezimmerten Kuhstall und warteten darauf, dass sie mit dem Melken an die Reihe kamen, während Harry genau dort einen geschrubbten Milcheimer entdeckte, wo er es erwartet hatte.
Sein Arbeitstag hatte begonnen.
Zur Mittagszeit sattelte er das Pferd und ritt nach Crossing, wo er einen Rechtsanwalt auftat, der neu in der Stadt war, und ihm die Eigentumsurkunde für die Merriman-Farm überreichte.
»Soweit ich weiß, starb mein Vater, ohne ein Testament zu hinterlassen«, erklärte er. »Vermutlich wissen Sie, dass meine Mutter anschließend ebenfalls verstarb, aber meines Wissens hat sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen und wohl ebenfalls kein Testament geschrieben. Ich bin das einzige Kind aus dieser Verbindung. Ich möchte, dass die Farm baldmöglichst auf meinen Namen überschrieben wird. Können Sie das für mich in die Wege leiten?«
Der Rechtsanwalt, ein Mann namens Jules Fountain, bejahte, warnte aber, dass es seine Zeit dauern könne.
»Das geht ja gut los«, erwiderte Harry. »Heißt das etwa, dass man Ihre Fähigkeiten, einen einfachen Auftrag auszuführen, in Frage stellen sollte?«
»So einfach ist das nicht, Sir. Ich meine … kein Testament …«
»Hören Sie, mein Freund, Sie und ich, wir wissen doch, dass ich das auch ohne Rechtsanwalt machen könnte, nur habe ich nicht die Zeit dazu. Das
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