Im Tal der Mangobäume
Erstaunlich, dass er, kaum hatte er einen Blick auf sie geworfen, auch schon sein Herz an sie verloren hatte. So viel zu den Jahren reiner Freundschaft. Im Nu war alles anders! Aber was nun? Harry kannte sie so gut, er war sich durchaus bewusst, dass sie eine Liebeserklärung von ihm erwartete. Damit ihr Herz Ruhe hatte.
Und dann?
Die Otways betrachteten ihn bereits als ihren Nachbarn. Und als Totties künftigen Ehemann, ohne Zweifel. Das war nur recht und billig, bloß, dass er einen Traum hatte. Den, Vieh zu züchten. Nie und nimmer würde man ihn dazu überreden können, sich auf dieser Farm niederzulassen. Er hasste jede Minute, die er unter diesem Dach wohnte. Er schlief noch immer auf dem Sofa. Noch immer waren all ihre Sachen hier. Der Schrank mit ihren Kleidungsstücken. Ihre Wäsche. Schachteln mit Kämmen, Haarklammern und Kragenknöpfen. Und all das wartete darauf, dass jemand etwas damit anfing.
Vielleicht konnte er George das in aller Ruhe erklären.
»Ja«, murmelte er, »und dann lasse ich mir von George erklären, dass ich verkaufen sollte, wenn mir danach ist. Es gibt andere gute Farmen im Distrikt, die ich mit dem Erlös kaufen könnte.«
Das war noch so etwas. Er hatte vorgehabt, nach Cameo Downs zurückzukehren und für Palliser zu arbeiten, so dass weiterhin Lohn hereinkam, und sich der Truppe Pallisers anzuschließen, wenn sie sich zurück zum Thomas-River-Distrikt aufmachte.
Aber wenn er die Farm erst mal verkauft hatte, würde er genug haben, um mit dem eigenen Vieh dorthin aufzubrechen. Mehr als genug. Und je eher desto, besser. Er war schließlich nicht der Einzige, der hinter großen Flächen freien Landes her war.
Er ging zur Scheune, um eine Leiter zu suchen, damit er das Loch verstopfen konnte, durch das die Opossums ins Dach gelangten, und angesichts der Gelder, die ihm demnächst in den Schoß fallen würden, hob sich seine Laune noch ein wenig mehr, als Tottie um die Hausecke bog. In ihrem Sonntagskleid und dem mit Margeriten geschmückten Strohhut sah sie bildhübsch aus.
Vor Freude ließ Harry die Leiter fallen. »Was für eine schöne Überraschung!«
Er ging zu ihr, um sie zu küssen, aber sie wich ihm aus.
»Entschuldige, Tottie. Ich habe ganz vergessen, dass ich meine Arbeitssachen anhabe. Ich möchte dir nicht dein Kleid verschmutzen.«
»Verkaufst du die Farm?«, fragte sie wütend.
Verblüfft über ihren Ton, starrte er sie an. »Was?«
»Ich habe dir eine einfache Frage gestellt. Verkaufst du die Farm?«
»Ja«, schluckte er.
»Im Ernst? Du verkaufst sie?«
Er nickte. »Ja. Komm rein, dann sprechen wir darüber. Ich wasche mir nur noch schnell die Hände.«
Sie setzten sich an den Küchentisch, und Tottie war noch immer so wütend, dass er sie nicht berühren durfte. Lehnte sogar ein Glas Wasser ab.
»Nein danke, ich will kein Wasser. Eigentlich weiß ich ja nicht einmal, wieso ich eigentlich hier bin. Du bist sicher mit Packen beschäftigt.«
Er schüttelte den Kopf. »Lass das, Tottie. Du weißt, dass ich in diesem Haus nicht leben würde. Das musst dir doch klar sein. Warum regst du dich also auf?«
»Weil ich es wissen muss, das ist alles«, erwiderte sie, und ihre Wangen röteten sich. »Du verkaufst also die Farm. Und dann?«
»Dann müssen wir miteinander reden, oder nicht?«
»Worüber?«
»Na gut. Lass mich erklären. Wenn ich hier alles verkauft habe, dann gehe ich zurück in den Norden nach Queensland. Was sagst du dazu?«
Ihre Augen blitzten, und die Wut kehrte zurück. »Was hat das mit mir zu tun?«
Seufzend beugte Harry sich über den Tisch und ergriff ihre Hand. »Alles, Tottie, mein Liebes. Weil ich dich fragen wollte, ob du mich heiraten möchtest. Aber zuvor musst du die Tatsache berücksichtigen, dass ich nicht hierbleibe.«
Ein Lächeln stahl sich in ihre Augen. »Fragst du mich jetzt, ob ich dich heiraten möchte oder nicht, Harry Merriman?«
»Nun, ja, aber …«
Sie schob den Stuhl zurück und erhob sich. »Würdest du mir einen Gefallen tun?«
»Natürlich. Welchen denn?«
»Stell die Frage, und wir reden darüber!«
Er nahm sie in die Arme, und die Frage ging in der Leidenschaft des Augenblicks unter und dann in der Aufregung darüber, dass sie heiraten würden. Den restlichen Tag blieb sie bei ihm, und als sich beide aufmachten, um ihren Eltern die guten Neuigkeiten zu überbringen, lachten sie darüber, dass es doch gar kein großes Gerede gegeben hatte.
»Ich habe ja schon so etwas geahnt«, schmunzelte George,
Weitere Kostenlose Bücher