Im Tal der Mangobäume
fieberhaft nach den Todesurkunden, weil Jules Fountain sie nicht finden konnte. Schließlich hat er sie selber entdeckt. Dr.Bunce hat sie dem Geistlichen gegeben, damit der sie ins Kirchenregister eintragen kann, und hat sie dann völlig vergessen. Es heißt, Jules hätte ganz schön was von Harry zu hören gekriegt.«
»Wieso?«, wollte Annie wissen. »Wozu braucht Harry sie denn?«
»Um die Besitzverhältnisse der Farm zu klären. Noch läuft sie auf Gillies Namen. Keiner seiner Eltern hat ein Testament hinterlassen, daher muss er der Regierungsbehörde ihre Geburts- und Todesurkunden vorlegen, um zu beweisen, dass er ist, wer er zu sein behauptet.«
»Was für ein Aufstand«, meinte Annie. »Dabei weiß doch jeder, dass es jetzt Harrys Farm ist.«
Sie ging davon, wohl wissend, dass Gillie Merriman ein Testament hinterlassen hatte. Sie hatte es mit eigenen Augen gesehen, und zwar zusammen mit einem Haufen anderer Dokumente in der Küchenschublade, als sie für den Leichenbestatter nach Hesters Geburtsurkunde gesucht hatte. Es war nicht zu übersehen. Wäre es ein Hund gewesen, dann hätte es sie gebissen.
Es steckte in einem kleinen, quadratischen Umschlag, auf dem in Gillies steifer und entschlossener Schrift geschrieben stand:
Dies hier ist der Letzte Wille von Gilbert Merriman
.
Aus reiner Neugierde hatte sie ihn mit den Fingerspitzen aus der Schublade genommen und für den Fall, dass jemand das Haus betrat und sie dabei erwischte, in ihrer Tasche verschwinden lassen. Als sie sich dann sicher sein konnte, in dem stillen Haus allein zu sein, hatte sie den Umschlag herausgezogen und angestarrt. Enttäuscht. Er war zugeklebt. Getrocknete Leimspuren blätterten von der Rückseite des Kuverts ab.
Aber, erinnerte sie sich, Dampf aus einem Wasserkessel würde das Problem im Nu lösen.
Welcher Wasserkessel? Sie brachte in diesem Haus ja kaum den Ofen zum Brennen.
Kurz darauf hastete Annie heim. Sie wollte nur einmal hineinsehen, sagte sie sich. Keiner brauchte davon zu erfahren. War ja niemand zu Hause. Öffne ihn, während er feucht ist. Lies das Testament. Dann geh ganz unschuldig zurück und steck es wieder in die Schublade.
Während sie darauf wartete, dass das Wasser kochte, überlegte sie, dass sie unter allen Umständen einen Blick darauf werfen sollte, was der alte Gillie zu sagen hatte. Schließlich könnte ihre Tochter Tottie betroffen sein. War George nicht nach Brisbane gefahren, um ihren Freund heimzuholen, Gillies Sohn? Die Chancen standen gut, dass die dickköpfige Tottie mit ihm vor dem Traualtar landete.
Sie schnalzte beifällig, indes sie den Umschlag über den Dampf hielt, der das billige Papier schon bald zu befeuchten begann. Rasch brachte sie ihn zum Tisch hinüber, legte ihn flach ab und öffnete vorsichtig die Klappe. Sie wartete darauf, dass er trocknete, und mischte unterdessen einen Teelöffel Mehl mit ein paar Tropfen Wasser, um Leim herzustellen, so dass sie den Brief wieder zukleben konnte.
Und da war er. Mit einem Datum von vor fünf Jahren. Gillie hatte geschrieben:
An alle, die es angeht. Ich, Gillie Merriman, hinterlasse hiermit diese Farm und mein gesamtes Hab und Gut meiner Frau, Hester Merriman.
Das war alles. Wie langweilig.
»Er war schon immer ein Mann weniger Worte.« Achselzuckend steckte sie das dünne Blatt Papier in den Umschlag zurück. »So ein alter Schuft! Hinterlässt ihr alles und seinem Sohn keinen einzigen Penny!«
Aber nun war Hester nicht mehr da und Harry war der Sohn und Erbe. Der einzige Nutznießer.
War er das auch wirklich? Dieses Testament zeigte, dass Gillie Harry gar nichts hatte vererben wollen. Und Hester hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, überhaupt ein Testament zu hinterlassen. Wahrscheinlich mit ähnlichen Hintergedanken, da Harry von zu Hause ausgerissen war.
»Darum kümmern wir uns«, sagte Annie Otway beherzt.
Sie öffnete die kleine Ofentür und warf Gillies Letzten Willen ins Feuer. Er verbrannte in Sekundenschnelle.
Am Sonntag ging Harry nicht in die Kirche. Er war zu sehr damit beschäftigt, kein Farmer zu sein. Er hatte die Kühe gemolken, die Pferde und Hühner gefüttert und die Eier eingesammelt. Nun stand noch ein Maisfeld an, das abgeerntet werden musste. Nur, was sollte er mit all dem anfangen?
Er beschloss, die Kühe zu verkaufen, Annie Otway die Hühner zu überlassen und vor seinem Fortggang auch noch das Pferd abzustoßen. Problem gelöst.
Mehr zu schaffen machten ihm seine Sorgen um Tottie.
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