Im Tal der Mangobäume
wenn er sie »altes Mädchen« nannte. Das war das Beste, was Jasin an Liebesworten zu bieten hatte.
Sie saß auf der Veranda, sah den sich zusammenballenden Gewitterwolken zu und dachte daran, wie gern sie sich »altes Mädchen« hatte nennen lassen. In diesem Moment forderte der Priester, der nach Erhalt der traurigen Nachricht an ihre Seite geeilt war, sie auf, mit ihr für den Dahingegangenen zu beten.
Inmitten ihrer Schwermut konnte sie Jasins Spott hören. »Dahingegangen? Wie kann dieser Emporkömmling es wagen, von mir als einem Dahingegangenen zu sprechen! Geleite ihn hinaus, Georgina. Ich bin im Arbeitszimmer.«
Sie wartete auf Nachricht von Edward, den sie verzweifelt zu erreichen versuchte, und hatte die Mädchen angewiesen, keine Besucher mehr zu ihr vorzulassen. Ohne Ausnahme. Sie brauchte Zeit für sich. Wie es schien, hatten die Brisbaner Behörden den Premierminister von Jasins plötzlichem Tod verständigt; dieser hatte den Bischof der anglikanischen Diözese informiert, der daraufhin den Pfarrer geschickt hatte, um die Nachricht zu überbringen, die Georgina nicht fassen konnte. Und danach folgte eine Flut von Freunden und Bekannten, die ihr Beileid bekundeten und Ratschläge erteilten.
»Woher weiß man, dass es Jasin ist?«, hatte sie aufbegehrt. »Es könnte ein Irrtum sein. Ich muss selbst nach Brisbane. Wenn ich Edward nur finden könnte! Nein, ich kann nicht hier sitzen und abwarten, ohne Gewissheit zu haben. Was hat man mit ihm gemacht? Ist er im Krankenhaus?«
Sie erinnerte sich, dass Jasin einen Anwalt in Brisbane hatte, weshalb sie seinen Schreibtisch durchwühlte, um den Namen zu finden, doch sie nahm nicht ein einziges Wort aus den Papieren in sich auf; es gab ihr lediglich etwas zu tun.
Und dann brachte ein Mädchen ihr ein Telegramm. »Von wem ist es?«, fragte sie, halb in Erwartung einer Entschuldigung. Von irgendjemandem. Für diesen entsetzlichen Irrtum …
»Von Mr.Rivadavia, Ma’am.«
»Von wem?«
»Der Name ist schwer auszusprechen, Ma’am.«
»Gib her!«
Verehrte Lady Heselwood,
ich darf Sie meines tiefempfundenen Mitgefühls zum Tode Ihres lieben Gatten Lord Heselwood versichern. Vergeben Sie mir, wenn ich aufdringlich erscheine, doch wenn Sie jemanden in Brisbane benötigen, der sich um Ihre Angelegenheiten kümmert, stehe ich zu Ihrer Verfügung.
Hochachtungsvoll,
Juan Rivadavia
»Gott sei Dank«, sagte sie. »Ich hatte vergessen, dass er jetzt in Brisbane wohnt.«
Sie setzte sich auf Jasins maßgefertigten Lederstuhl an seinen Schreibtisch und dachte an all die Jahre, die vergangen waren, seit sie Juan kennengelernt hatten.
Ihr Mann war nicht gut mit ihm ausgekommen. Er nannte ihn immer »den Spanier«. Aus Neid natürlich, weil der junge, gutaussehende Rivadavia als reicher Mann aus Argentinien gekommen war, von seiner Familie geschickt, um den Rinderbetrieb zu erweitern, während alle anderen sich abrackerten.
Sie seufzte. Jasin hatte nie erfahren, dass es Juan gewesen war, der sie gerettet hatte, als es mit ihrem Vermögen bergab gegangen war und sie vor dem Ruin standen. Er hatte Georgina in aller Stille einen Ausweg aus dem Dilemma mit den Banken gewiesen und seinen guten Namen für eine Sicherheitsbürgschaft zur Verfügung gestellt. Er war stets ein äußerst liebenswürdiger und zuverlässiger Mensch gewesen, und nun, da sie in höchster Not war, bot er seine Hilfe an.
»Gott sei Dank«, wiederholte sie, und jetzt wurde ihr bewusst, dass Jasin wirklich tot war. Rivadavia würde niemals ein solcher Irrtum unterlaufen. Sie stützte den Kopf in die Hände und weinte, doch dann sah sie ein, dass sie schleunigst auf Juans Telegramm antworten musste, ehe ein Fremder mit ihren Angelegenheiten betraut wurde.
Sie dankte ihm dafür, dass er ihr zu Hilfe kam. Ob sie nach Brisbane kommen solle? Er schrieb zurück, es sei sicher angenehmer für sie, in ihrer Heimatstadt bei ihren zahlreichen Freunden zu bleiben. Unter den gegebenen Umständen war es heikel, Telegramme zu formulieren, doch Juan mit seinem Feingefühl aus der Alten Welt hatte damit keine Schwierigkeiten. Er nahm die Sache in die Hand und erbot sich, Lord Heselwood nach Hause zu begleiten.
Lady Heselwood nahm sein überaus liebenswürdiges Angebot an. Dann musste sie sich an den Vorkehrungen für die Beisetzung beteiligen, wobei sie sich weigerte, irgendjemand anderen in die Entscheidungen mit einzubeziehen.
»Du wirst ein anständiges Begräbnis bekommen, das verspreche ich dir«, sagte
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