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Im Tal der Mangobäume

Im Tal der Mangobäume

Titel: Im Tal der Mangobäume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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waren, dass man sie mühelos überqueren konnte. Und sie begegneten vielen Leuten, die unterwegs zu ihren Lagern für die Regenzeit waren.
    Zehn Tage nach dem Korrobori stiegen sie auf eine Erhebung mit Blick auf den langen Verlauf eines Flusses und entdeckten von dort aus in der Ebene eine riesige Staubwolke. In der Meinung, es stünde ihnen ein weiterer der verhassten roten Sandstürme bevor, stellten sie ihr Gepäck ab und suchten Schutz zwischen den Bäumen.
    Doch der Sandsturm näherte sich nur langsam. Zu langsam. Sie versuchten zu erkennen, was für ein seltsames Naturschauspiel sie da sahen, denn hier im Hinterland, das sie immer wieder von neuem überraschte, gab es viele Sonderbarkeiten.
    »Das sind Rinder«, rief sein älterer Sohn. »Eine große Herde. So weit das Auge reicht! Schau, Vater, sie kommen in diese Richtung, und es sind Reiter dabei. Wohin wollen die bloß?«
    Ladjipiri war verwirrt. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Was ich allerdings weiß, ist, dass sie mit Rindern handeln, die sie zu Nahrungszwecken halten. Allerdings gibt es hier draußen niemanden, mit dem sie handeln könnten!«
    Sein anderer Sohn lachte. »Die haben sich verirrt, würde ich sagen.«
    »Gut möglich. Sie sind Monate entfernt von ihren Dörfern an der Meeresküste.«
    Sie beobachteten, wie die große Herde auf sie zudonnerte und die Reiter peitschenknallend auf und ab ritten, um die Tiere unter Kontrolle zu halten. Nach einer Weile wurden die Rinder jedoch nervös und muhten. »Sie wittern Wasser! Sie haben Durst!«, erklärte Ladjipiri seinen Söhnen rasch.
    Wie auf ein Stichwort legte die Rinderherde an Geschwindigkeit zu, dann ging eines der Rinder in einen schwerfälligen Galopp über und der Rest der riesigen Herde stürmte ihm nach.
    Ladjipiri und seine Söhne hatten schon Känguruherden auf der Flucht vor Jägern erlebt, aber etwas in dieser Größenordnung noch nie. Sie waren aufgesprungen und schrien vor Begeisterung, während die Rinder auf den Fluss zustürzten und die Männer verzweifelt versuchten, sie zu bändigen.
    »Wenn sie Durst haben«, wandten die Jungen ein, »warum lassen diese Männer sie dann nicht trinken?«
    »Es sind zu viele, denke ich«, erklärte ihr Vater, ohne den Blick abzuwenden. Er wollte nicht eine Sekunde dieses großartigen Schauspiels verpassen. »Sie könnten einander zertrampeln.«
    Und tatsächlich, einige stolperten und gerieten unter die donnernden Hufe der anderen. Man konnte ihr Brüllen hören und das Stöhnen jener, die im Staub zurückblieben.
    Als alles vorbei war, als die Rinder getrunken hatten und weitergetrieben worden waren, um anderen Platz zu machen, herrschte wieder Stille. Die Reiter blieben wachsam und ritten bedächtig um die Herde herum.
    Ein Mann ritt zurück, saß ab und besah sich die verwundeten Tiere. Die meisten schienen tot zu sein, doch das Aufblitzen eines Messers sagte den Beobachtern, dass er die anderen von ihrer Qual erlöste.
    Ein großer, von zwei Pferden gezogener Planwagen kam in Sicht und hielt in einiger Entfernung von der Herde an.
    »Ich glaube, die schlagen hier ihr Nachtlager auf«, meinte Ladjipiri. »Und wir könnten das eigentlich auch.«
    Als sie ihre Wanderung zur Küste fortsetzten, sah der Händler zu seinem Leidwesen immer mehr Weiße samt ihren Tieren und Wagen, die sich flutartig über das Land ausbreiteten. Wo er einstmals auf zwei Reiter getroffen war sowie auf die ein oder andere kleine Truppe mit jenen Lasttieren, die einen Buckel besaßen, kamen nun Familien. Diese Leute waren keine Besucher, es waren Siedler beziehungsweise, wie der Kalkadoon-Anführer sie genannt hatte: Eindringlinge.
    Im Laufe der folgenden Wochen begegneten ihnen immer mehr ihrer eigenen Leute, die aus Angst vor den Weißen flohen und glaubten, auf der anderen Bergseite Sicherheit zu finden. Ladjipiris Söhne wurden nervös.
    »Keiner spricht von unserer Familie. Glaubst du, dass unsere Mutter und unsere Schwestern in Sicherheit sind?«
    »Ja«, erwiderte Ladjipiri grimmig. Sie hatten das Küstengebirge erreicht und blickten auf das breite, grüne Tal und den Fluss hinab, der sich um seltsam geformte Hügel wand. Es bot sich derselbe Anblick wie immer, doch grasten in dem fruchtbaren Tal nun Rinder, und in der Nähe des Flusses, einem Paradies für Federwild, war ein Haus gebaut worden.
    Er wusste, wo er seine Familie finden würde. Er hatte ihnen geraten, draußen an der Küste zu bleiben, in sicherer Entfernung von dem Ort, der ein gutes Stück

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