Im Tal der Mangobäume
Ihrer Mutter geht?«
»Oh, sie hält durch, die Ärmste. Aber sie wird glücklich sein, Sie zu sehen. Dass so etwas Entsetzliches aber auch passieren konnte! Schrecklich, dass meine Eltern auf diese Person reinfallen und sie für eine Ärztin halten konnten. Und ihr dann gestatteten, Hand an meine Mutter zu legen. Empörend! Ich kann mir nicht vorstellen, was sich mein Vater dabei gedacht hat.«
Er wandte sich um und winkte einem hochgewachsenen Mann, der am Eingang der Kais an einem Torpfosten lehnte.
»So, wo ist denn nun Ihr Gepäck? Mein Mann wird sich darum kümmern.«
Rosa warf Charlie einen überraschten Blick zu. Der Mann, der auf sie zuschlenderte, trug ein kariertes Hemd und Latzhosen, einen verwitterten Hut und Reitstiefel, die durch den Sporeneinsatz an den Hacken wie poliert aussahen. Offenbar ein Viehhüter. Es gehörte sich ja wohl kaum, einen Viehhüter als »mein Mann« zu bezeichnen.
Charlie schien das entgangen zu sein. Er deutete auf ihre beiden Koffer und seine Arzttasche, damit Edwards »Mann« sie holen und sie alle in die Stadt gehen konnten.
Während Edward sich über das Hotel ausließ, in dem er sie einquartiert hatte, hatte Rosa Muße, über seine Bekleidung zu staunen, die von einer Eleganz war, wie sie sie bei einem Landbewohner noch nie angetroffen hatte. Nicht, dass sie aufdringlich oder übertrieben gewesen wäre. Nein, sein Tweedjackett war ganz einfach schön geschnitten, was auch für seine weiße Wildlederhose und die nach Maß gearbeiteten Stiefel galt. Selbst der von Siedlern fast schon wie eine Uniform getragene flache graue Filzhut konnte dem eleganten Eindruck nichts anhaben.
Als sie die Hauptstraße entlanggingen, begann Charlie, angetan mit seinem besten Gehrock, ein ernstes Gespräch mit Edward, doch der junge Mann beugte sich immer wieder vor und sprach Rosa an, erkundigte sich, was sie von der Stadt halte, ob sie für sie zu schnell gingen, ob sie gern ritt. Alle möglichen Fragen also, die Rosa als Ausrede erkannte, um sich mit ihr unterhalten zu können, wodurch er jedoch ihren Ehemann verärgerte, der ungern unterbrochen wurde.
Sie war erleichtert, als sie das Hotel erreichten und die Eingangshalle betraten. »Nobel, nobel!«, staunte sie lächelnd beim Anblick des roten Teppichs, der feudalen Vorhänge und des Goldanstrichs.
»Allerdings!«, lachte Charlie. »Alles vom Feinsten. Was sich von den Gästen jedoch nicht unbedingt behaupten lässt. Gold ist – wie Regen – nicht wählerisch. Es lässt Reichtümer auf die seltsamsten Leute niedergehen.«
Sie blickte sich um und sah, dass er recht hatte. Es war elf Uhr vormittags, und dennoch schlenderten Männer und Frauen in ausgefallenster Abendkleidung an ihr vorbei. Ein Mann in einem mottenzerfressenen Anzug zog vor ihr den Zylinder, verbeugte sich, wünschte ihr einen guten Morgen und schwankte davon.
»Haben Sie das gesehen?«, wandte Charlie sich an Edward. »Seine Hände waren voller Diamantringe!«
»Ja, Doktor, und wenn Mrs.Palliser um einen gebeten hätte, hätte er ihn ihr garantiert überreicht.«
Er ließ einen langhaarigen Bettler, der um Almosen bat und dem ein Portier dicht auf den Fersen war, an sich vorbei in den offenen Salon gehen.
»Ich finde, wir sollten uns auf die Suche nach unseren Zimmern machen«, meinte Charlie.
Wie verabredet, wurden Charlie und Rosa am Morgen darauf bei den Stallungen von dem Viehhüter erwartet. Er stellte sich als Clem vor und erklärte, er sei Vorarbeiter auf der Montone-Station.
Er hatte zwei schöne Vollblutpferde für sie bereitstehen.
»Das hier ist Bessie«, erklärte er. »Sie werden sie mögen, Mrs.Palliser, auf ihr reitet man butterweich. Und der Fuchs hier ist Ihrer, Doc. Begrüßen Sie Omar. Der kann reisen, der Bursche.«
»Was für eine Schönheit.« Charlie tätschelte dem Tier die Flanken. »Und du, Rosa? Bist du zufrieden mit deinem Pferd?«
»O ja, sie scheint mich zu mögen. Was geschieht mit unserem Gepäck?«
»Clem lässt unsere Sachen schon vorausschicken, so dass uns kein Packpferd aufhält.«
»Ach, das wird ein Ritt, was?« Sie sah zu, wie Clem den Sattel befestigte. »Ich bin gerade etwas durcheinander. In welche Richtung reiten wir?«
»Schnurstracks nach Süden, allerdings nur ungefähr fünfzig Meilen. Ha! Da ist Edward … los geht’s!«
Mit Erstaunen stellten Charlie und Rosa fest, dass die Straßen, die in das bezaubernde Hügelland führten, mit Abfall übersät waren. Und zwar allem möglichen Unrat, von
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