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Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga

Titel: Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Wilding
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war es kaum wahrscheinlich, dass sie ihm weitere Enkel schenkte. Manchmal verzweifelte er über seine jüngere Tochter, die wie eine Glucke über Luke wachte und Besitz von ihm ergriff, verzweifelte über die wachsende Abneigung zwischen ihr und Greta. Seitdem seine Frau gestorben war, hatte er sie zu sehr verwöhnt. Das Ergebnis war eine überdrehte Egoistin, die lediglich sich selbst und ihre Vergnügungen kannte. Die Familie dachte, dass er nichts von ihren rasant wechselnden Beziehungen wüsste, aber er wusste es nur zu genau. Die Leute redeten, und manchmal
hörte er, wie sie darüber flüsterten, und fing diese mitfühlenden Blicke auf. Er wusste es! Das einzig Positive war, dass Luke eines Tages heiraten und einen Sohn kriegen würde, um die so wichtige Erbfolge zu sichern. Carl stieß einen Seufzer aus. Dieser Gedanke beruhigte ihn.
    Er blickte auf die Uhr, die an der Wand über der gut gefüllten Cocktailbar hing. Es war beinahe 15.30 Uhr. Er hatte es satt, die Wände anzustarren, Papierkram zu lesen und zu unterschreiben, und würde schnell noch den Rest der Eingangspost erledigen, um dann Felix, seinen Fahrer, anweisen, ihn nach Hause zu fahren.
    Die Strecke von der Hauptverwaltung von Rhein-Schloss nach Stenhaus war nicht besonders lang, führte jedoch an einem Spielfeld vorbei, auf dem Football-Mannschaften nach der Schule trainierten. Üblicherweise schenkte Carl den Kindern in ihren Trikots und Football-Stiefeln keinen einzigen Blick, aber heute versuchte er, eines der Kinder ausfindig zu machen, was ihm auch gelang. Auf der anderen Straßenseite saß Sam Hunter mit seinem Schulrucksack und einer Tasche für sein Sportzeug gemeinsam mit zwei anderen Jungen auf dem Rasen in der Nähe der Bordsteinkante.
    Der Mercedes rollte vorbei, und Carls Kopf wandte sich wie magnetisch angezogen nach hinten. Seine Augen fixierten den rothaarigen Jungen. »Halt an, Felix«, befahl er, »und fahr rückwärts bis zum Spielfeldrand.«
    Ohne zu zögern, tat Felix, wie ihm geheißen, und innerhalb von wenigen Sekunden kam die mächtige Limousine in der Nähe der Stelle, wo die drei Jungen saßen, zum Stehen. Minutenlang betrachtete Carl die Jungen, aber er interessierte sich nur für einen, nämlich seinen Urenkel.
    Ein ungewohnter Anflug von Emotionen überkam ihn,
während er Sam beobachtete. Die Jungen, die offensichtlich darauf warteten, abgeholt zu werden, saßen mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Rasen und spielten einander einen Football zu. Plötzlich erinnerte sich Carl daran, wie Kurt als kleiner Junge gelernt hatte, Rugby zu spielen. Er war gut darin gewesen, ausgezeichnet. Und bevor ihm bewusst wurde, was er tat, stieg Carl aus dem Auto und ging über die Straße zu den Jungen hin.
    »Hallo«, begrüßte er die drei verlegen. Es war lange her, seitdem er zuletzt mit kleinen Jungen geredet hatte. Zwei von ihnen sahen ihn misstrauisch an. Er konnte es ihnen nicht verübeln, denn sie kannten ihn nicht. Nicht dass er sich etwas aus ihnen machte, sein einziges Interesse galt schließlich Sam. »Mein Sohn hat auch immer Football hier gespielt, als er jung war.« Er versuchte, ihr Misstrauen zu zerstreuen. Dann wandte er sich an Sam. »Weißt du, wer ich bin, Sam?«
    »Ich bin nicht sicher«, antwortete Sam zögernd. Einige Sekunden lang blinzelte er in die Nachmittagssonne und fixierte den alten Mann. »Du... erinnerst mich irgendwie an jemanden, den ich... gekannt habe. Meinen Großvater. Er sah dir sehr ähnlich, aber er hatte einen Bart.«
    »Oh. War er ein guter Großvater?« Carl fiel auf, dass die anderen Jungen, offensichtlich von der Unterhaltung gelangweilt, an die Spielfeldseite gerückt waren, wo sie sich weiter den Ball zuspielten.
    »Der beste.« Sams Antwort war schnell und ehrlich.
    »A-aber er, er, Mum hat mir erzählt, dass er im Himmel ist.«
    »Ich verstehe«, nickte Carl. »Du bist bestimmt sehr traurig.« Er sah, dass Sams Gesicht ernst wurde. »Was würdest du dazu sagen, dass ich deinen Großvater vor langer Zeit als Bub gekannt habe?« Sein Blick ruhte auf Sam, seinem
roten Haar, den Sommersprossen auf seiner Nase und seinen Wangen. Er war Kurt und... Carla so ähnlich. Gefühle überkamen ihn, und sein Hals wurde eng. Dieser Junge war sein eigen Fleisch und Blut. Er war die Zukunft oder konnte es werden. Aber was wollte er damit erreichen, dass er mit Carlas Sohn sprach? Verdammt, er wusste es nicht. Es war, als wäre er von einem inneren Zwang getrieben, dem er sich freiwillig

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