Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
schwach werden und Carla und ihren Sohn in sein Herz lassen. Rolfe war die Ursache für all seinen Schmerz und seine Traurigkeit, und er weigerte sich zuzulassen, dass so etwas noch mal passierte.
Angie beobachtete Carla im Badezimmerspiegel dabei, wie sie sich schminkte, und vergewisserte sich, dass ihr Gesicht nichts verriet. Sie konnte jedoch nicht umhin zu bemerken: »Ich hoffe, du weißt, was du tust.«
»Tust? Alles, was ich tue, ist, mit Luke Michaels zu Abend zu essen. Mehr nicht. Punkt.«
»Ruft er dich an?«
»Nein, ich treffe ihn in Tanunda in dem Restaurant, das wir ausgewählt hatten.«
»Es ist also keine richtige Verabredung.«
Carla verdrehte die Augen. »Ich betrachte es nicht als Verabredung. Luke möchte, dass wir Freunde sind, und ich bin bereit, ihm etwas entgegenzukommen. Das ist nur fair und«, sie hielt inne, bevor sie Lipliner auflegte, »vernünftig. Wenn irgendjemand meinen Großvater dahingehend beeinflussen kann, dass er etwas nachsichtiger wird, dann ist es Luke.«
»Du hast also deinen eigenen Plan.«
»Nun«, Carla dachte einen Augenblick nach und gab dann eine ehrliche Antwort, »es ist nicht unbedingt ein Plan. Ich schwimme nur mit dem Strom und hoffe, dass etwas Gutes dabei herauskommt.«
»Das hoffe ich ebenfalls. Jetzt, da Walt die Ernte des letzten Jahres für uns verkauft, stehen wir kurz davor, unsere Finanzen unter Kontrolle zu bringen. Er hat versprochen, uns nächste Woche einen Scheck zu schicken, sobald die Lieferung der Flaschen an das Spirituosenlager in Adelaide erfolgt ist. Es dauert noch acht Monate, bis die nächste Ernte reif ist, und dann schreiben wir schwarze Zahlen.«
»Ich weiß. Und Luke und Großvater wissen es sicher auch. Also sind sie am Ball, wie es so schön heißt. Sie müssen entweder etwas sehr Drastisches unternehmen, um
uns zu vertreiben, oder sie akzeptieren es, dass wir bleiben.« Sie hielt inne, um Lippenstift aufzulegen. »Angenommen, Lukes Friedensangebot ist ehrlich gemeint, werden er und der Rest der Familie hoffentlich endlich akzeptieren, dass Sundown Crossing ein kleiner, aber rentabler Teil des Barossa Valley ist.«
Angie lächelte, aber der Ausdruck in ihren Augen war skeptisch. »Ich wünsche dir viel Glück.«
»Danke.« Carla hoffte, dass sie das nicht brauchte. Sie hatte hin und her überlegt, ob sie Lukes Einladung zum Abendessen annehmen sollte, und die negativen und positiven Aspekte analysiert. Tief in ihrem Innern war sie jedoch eine Optimistin, und sie wollte unbedingt, dass die Stenmarks sie akzeptierten, nicht unbedingt ihretwegen, sondern Sams wegen. Fast ununterbrochen redete er davon, dass er seinen Urgroßvater getroffen hatte. Die Ähnlichkeit mit ihrem Vater hatte ihn seltsam berührt, und jetzt wollte er mehr über die Stenmarks erfahren. Es wäre gut für ihn, wenn er eine größere Familie hätte, und nicht nur sie und Angie. Während sie durch das Wohnzimmer ging, um ihre Autoschlüssel zu holen, die auf der Kommode lagen, beugte sie sich über Sam und gab ihm einen Gutenachtkuss. »Bis später, mein Schatz. Geh bitte ins Bett, wenn Angie es dir sagt. Okay?«
Sam, der sich gerade etwas im Fernsehen anschaute, nickte zustimmend. »Nacht, Mum.«
Carla erreichte als Erste das Park-Restaurant in der Murray Street. Sie war überrascht, dass das Restaurant wie viele andere keinen deutschen Namen hatte, da Tanunda von deutschen Einwanderern gegründet worden war. Sie stellte sich vor, dass das Restaurant vorher ein Wohnhaus gewesen und wahrscheinlich über hundert Jahre alt war, nach der Höhe der Decke und der Dicke
der Wände zu urteilen. Die vorderen Zimmer waren zu einem Restaurant umgebaut worden, und die Küche lag auf der Rückseite. Das Restaurant war klein und gemütlich und nur halb voll. Die meisten Gäste schienen Touristen zu sein. Das im Kamin prasselnde Holzfeuer verlieh dem Raum eine wohlige Behaglichkeit.
Carla wusste das zu schätzen, denn die Temperatur draußen war im einstelligen Bereich, obwohl es längst noch nicht so kalt war wie Christchurch. Sie konnte gut auf die kalten Winter ihrer Heimatstadt verzichten. Wenn sie ab und zu daran dachte, dass sie den größten Teil ihres Lebens in Neuseeland verbracht hatte, war sie überrascht, wie schnell sie sich im Barossa Valley eingelebt hatte. Es war hilfreich, ein Ziel zu haben, z. B. ihren Job bei Paul. Er hatte so viel Arbeit und war die meiste Zeit nicht in seinem Büro. Daher übertrug er ihr immer mehr Verantwortung für die
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