Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
ihre Augen geschlossen waren, konnte Rolfe Marta jetzt betrachten, was er eingehend tat, bis das beklemmende Gefühl in seiner Brust beinahe unerträglich wurde. Gute Freunde! Er wollte mehr als Freundschaft. Er spannte den Unterkiefer so fest an, dass er schmerzte. Noch viel mehr. Seine Gedanken verselbstständigten sich, und er fuhr unruhig durch sein Haar. Dann bemerkte er, dass sie ihn
durch ihre halb gesenkten Wimpern gedankenverloren betrachtete.
»Ich mag dein welliges Haar, Rolfe. Es kringelt sich so schön im Nacken. Kurts Haare sind so kurz und glatt.«
Sie lallte, während sie das sagte, und strich mit den Fingern ein paar Locken aus Rolfes Gesicht. Diese intime Geste ließ ihn zurückfahren, und er räusperte sich. Abrupt war ihre Intimität vorüber. Rolfe drehte den Zündschlüssel um und ließ den Motor an.
Es war angenehm, ihr Lachen zu hören, während er die dunkle Schotterstraße hinunterfuhr. Ihr Lachen klang so befreit und sehr sexy. »Fahr schneller, Rolfe, ich liebe die Geschwindigkeit, wenn der Wind durch mein Haar fegt. Es ist ein so berauschendes Gefühl.«
Er blickte sie an, sah ihren Gesichtsausdruck, sah, wie wunderschön sie war, und obwohl sein gesunder Menschenverstand ihm sagte, es nicht zu tun, gewann sein Bedürfnis, sie zu beeindrucken und ihr zu gefallen, die Oberhand. Er drückte das Gaspedal herunter, und der Mercedes raste vorwärts.
»Huiiii!«, quietschte Marta. »Wunderbar.«
Eines der Hinterräder traf auf ein Loch in der Straße. Das Steuerrad drehte sich zur Seite, und einige Sekunden lang verlor er die Kontrolle über den Wagen. Das Auto rutschte vom Straßenrand, und als er hart auf die Bremse trat, kam der Wagen schlingernd zum Stehen. Zuvor hatte der vordere Kotflügel jaulend einen heruntergefallenen Ast gestreift. Wütend schlug Rolfe auf das Steuerrad ein. Dann stieg er aus dem Auto, um sich den Schaden anzusehen. Obwohl die Scheinwerfer an waren, konnte er keine Kratzer oder Beulen entdecken. Er müsste warten, bis es hell wurde. »Verdammt, Kurt bringt mich um.«
»Ich werde ihm sagen, dass das mein Fehler war und dass ich dich zum Rasen überredet habe.«
Er rollte mit den Augen. »Ich glaube nicht, dass ihm das gefallen wird.« Und seinem Vater ebenso wenig... Beide würden ihm die Hölle heiß machen.
Marta tätschelte sein Knie. »Nein, alles wird in Ordnung gehen, du wirst schon sehen.«
Er wusste nicht warum, aber er glaubte ihr. Sein Blick verengte sich, als er sie ansah und sich fragte, ob er bei Marta eine andere Dimension festgestellt hatte, nämlich die Fähigkeit, Dinge zu manipulieren? Langsam erkannte er, dass noch mehr in ihr steckte als der oberflächliche Glanz und ihr Charme. Und das machte sie noch anziehender für ihn.
O Dad ...Carla blickte vom Tagebuch auf. Sie hatte sich so sehr auf das Lesen konzentriert, dass ihr die Augen wehtaten. Zu ihrer Überraschung hatte sie schon über die Häfte des Tagebuchs gelesen. Sie brauchte nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wohin das alles führen würde - nämlich zu einer einseitigen Liebesbeziehung. War ihr Vater aus Barossa weggegangen, weil er es nicht mehr ertragen konnte, Kurt und Marta zusammen zu sehen? Aber sie sollte nicht so viel grübeln... Sie blätterte auf die nächste Seite.
In seinem dunkelblauen Unterhemd, den aufgerollten Shorts und den abgewetzten Arbeitsstiefeln sah Rolfe genau wie seine beiden Arbeitskräfte Otto und Ernst aus - nicht wie der Besitzer von Krugerhoff. Der süß-saure Geruch des Gärungsprozesses verschlug ihm den Atem in dem großen, engen Blechschuppen, den man scherzhaft die Weinkellerei nannte, im Gegensatz zu einer Destillerie, wo Weinbrand und andere starke alkoholische Getränke hergestellt wurden.
Die drei hatten den Saft aus dem Sediment herausgepresst und besprachen, wie viel Hefe hinzugefügt werden sollte. Rolfe hörte Otto und Ernst genau zu. Er vertraute auf ihr Urteil, denn sie verfügten über eine jahrelange Erfahrung in der Herstellung von Wein.
Martas unerwartetes Auftauchen beendete jegliche Diskussionen. Sie stand in der Tür zur Weinkellerei, und die Männer starrten sie an wie verliebte Schuljungen. In ihrer engen Hose und dem leichten Wollpullover sah sie zum Anbeißen aus. Nach der Weinprobe bei Seppelts war es erheblich kühler geworden.
»Ich bin hier, um zuzuschauen, wie man Wein herstellt. Du hast mir doch versprochen, es mir zu zeigen, erinnerst du dich?«, sagte Marta zu Rolfe und fügte schüchtern hinzu:
Weitere Kostenlose Bücher