Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
Schweigen. Die Handgreiflichkeiten mit Kurt ließen sein Herz wild klopfen, aber seine Gedanken waren bei Marta. Jetzt konnte er nur hoffen und beten, dass sie stark genug sein würde, sich Kurt zu widersetzen und allen zu sagen, bei wem ihre wahren Gefühle lagen. Aber tief in seinem Innern wusste er, dass, egal wen Marta bevorzugen würde, ein emotionaler Keil in die Stenmark-Familie getrieben worden war, der sie spaltete, und dass nichts mehr so sein würde wie früher. Rolfe fand sich damit ab, dass ihm und nicht Marta die Schuld an dieser Spaltung gegeben würde. Er war bereit, diese Schuld auf sich zu nehmen, wenn die Frau, die er liebte, ihm gehören würde. Irgendwie würden sie dieses Martyrium schon überstehen. Er glaubte fest daran,
dass er alles sein und erreichen konnte, wenn Marta bei ihm war.
Mit einem Klicken öffnete sich die Tür, und Kurt kam mit Marta ins Zimmer.
Das peinliche Schweigen dauerte fort, bis Papa sagte: »Marta, meine Liebe, du hast eine Menge durchgemacht, aber zwei Dinge müssen unbedingt noch geklärt werden. Komm und setz dich an den Schreibtisch.« Er machte Kurt ein Zeichen, einen Stuhl mit Seitenlehnen für sie heranzuziehen.
Marta setzte sich und faltete die Hände in ihrem Schoß. Sie sah blass und angespannt aus, während sie von einem zum anderen blickte. Rolfe lächelte ihr zu, aber sie erwiderte sein Lächeln nicht. Kurt stand neben ihr und hatte seine Hand besitzergreifend auf ihre rechte Schulter gelegt.
Papa nahm kein Blatt vor den Mund. »Marta, Rolfe hat den Eindruck, dass, soweit er sich erinnern kann, am Abend des Unwetters keine - es ist peinlich für einen alten Mann, dies zu sagen - keine Verführung stattgefunden hat und dass ihr zwei euch freiwillig und in gegenseitigem Einvernehmen geliebt habt.« Seine buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wie lautet deine Antwort darauf, Marta?«
»So war es nicht, Papa Carl. W-wir waren alleine. Ich war... unter der Decke nackt. Rolfe hat mich geküsst. Er war so stark. Ich hatte Angst...«
»Du Mistkerl...«, wiederholte Kurt mit halb erstickter Stimme, aber laut genug, dass alle es hörten.
»I-ich wusste nicht, was ich tun sollte.« Martas Stimme stockte. »Er hat mir drei Brandys gegeben. Ich war - wie sagt man? - schwindlig im Kopf. Es war alles wie ein Traum...«
»Marta, das ist nicht wahr, das weißt du genau«, unterbrach Rolfe sie. »Sag ihnen einfach die Wahrheit, Liebling .«
Sie starrte ihn mit ihren leicht schräg gestellten Augen an, in denen die Tränen aufkamen, und ihr Mund zitterte. »Ich... ich sage die Wahrheit, Rolfe. D-du hast mich gegen meinen Willen verführt. Oohhh...« Sie beugte den Kopf und begann leise zu schluchzen.
Kurt und Papa nickten entschlossen.
Einige Sekunden lang stand Rolfe unter Schock, unfähig, darüber nachzudenken, was er tun oder sagen sollte. Was er jedoch nicht wusste, war, dass der wirkliche Albtraum noch bevorstand. »Aber... Marta, ich liebe dich.« Verzweifelt fiel Rolfe auf die Knie und griff nach ihren Händen mit den Spitzenhandschuhen. »Liebling, bitte! Ich liebe dich, ich möchte, dass wir heiraten. Sag mir jetzt ehrlich, du hast doch Gefühle für mich, nicht wahr?« Sein Herz, sein Verstand, seine Seele flehten sie an, ja zu seinem Heiratsantrag und seiner Frage zu ihren Gefühle zu sagen. Sie hob den Kopf und schaute ihn mit klaren Augen an.
»Ich... ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich dich dafür hasse, was du getan hast, aber ich bin kein Mensch, der hasst. Ich weiß nicht, warum du meinst, dass ich irgendwelche Gefühle für dich habe. Das habe ich nicht. Ich liebe Kurt und«, sie neigte den Kopf, um Kurt anzusehen, und lächelte ihn schwach an, »wenn er mich noch haben will, möchte ich ihn gerne heiraten.«
»Natürlich will ich das«, sagte Kurt ehrenhaft. Er blitzte seinen Bruder an, und in seinem Gesicht lag ein Ausdruck von Triumph und Rechtfertigung.
Ungläubig den Kopf schüttelnd, unfähig und nicht bereit, die Worte, die Marta soeben gesagt hatte, zu akzeptieren,
schrie Rolfe: »Nein! Marta... das kann nicht dein Ernst sein.«
»Das ist ihr voller Ernst«, sagte Kurt ungeduldig.
Papa stieß einen Seufzer aus, und als Rolfe seinen Gesichtsausdruck sah, die Art und Weise, wie er ihn anstarrte, gefror das Blut in seinen Adern. Er hatte verloren . Marta, den Respekt seines Vaters, die Zuneigung seines Bruders - alles. Aber eine Frage ließ ihn nicht los: Warum hatte Marta gelogen? Aus Angst? Um zu überleben oder...?
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