Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
immer noch verärgert darüber waren, dass sie Marta am Abend des Unwetters hatten suchen müssen.
Es war sehr schwer für ihn, Marta nicht zu sehen, noch nicht einmal für eine Minute. In den letzten beiden Monaten hatte er sie fast täglich gesehen, wenn auch manchmal nur kurz. Jetzt wollte er seine Gefühle für sie bestätigt wissen und sie bitten, ihn zu heiraten. Er wusste jedoch, dass es genauso wichtig war, etwas Abstand zwischen sich und Marta und dem, was geschehen war, zu bringen. Während dieser Zeit konnten sie ihre Gefühle füreinander prüfen, damit sie ganz sicher waren. Rolfe war sich ganz sicher. Er wollte den Rest seines Lebens mit Marta Gronow verbringen, und jede Nacht, wenn er im Krugerhoff-Cottage im Bett lag, dachte er daran, wie perfekt ihr Liebesspiel gewesen war, und begann von ihr zu träumen.
Samstag war der einzige Tag in der Woche, an dem die Familie an dem langen, breiten Esszimmertisch in Stenhaus zusammen zu Abend aß. An diesem Tisch konnten zwanzig Leute bequem Platz finden. Der Raum war mit Möbeln
im Louis-XIV.-Stil ausgestattet, denn Mutter hatte sich zwei Jahre vor ihrem Tod während eines Urlaubs bei Verwandten in Deutschland und Frankreich in diese Möbel verliebt.
Mit einem beklommenen Gefühl kehrte Rolfe an diesem Abend nach Stenhaus zurück, um zu duschen und sich zum Essen umzuziehen. Das einzig Gute war, dass Marta dort sein würde, und wenn er Glück hatte, würde er vielleicht ein paar Worte mit ihr wechseln können.
Das dreigängige Menü verlief ungewöhnlich still. Kurt hatte eine steinerne Miene aufgesetzt. Er sagte kein einziges Wort, und als Rolfe in seine Richtung blickte, sah er die Wut in seinen Augen, die er jedoch unterdrückte. Marta vermied jeden Blickkontakt, und selbst Lisel, die dafür bekannt war, dass sie über alles Mögliche schnatterte, war merkwürdig schweigsam. Zu seiner wachsenden Besorgnis kam die Tatsache, dass Papa sich weigerte, mit ihm zu sprechen, obwohl er mit allen anderen am Tisch redete, sogar mit dem kleinen Luke. Die unterschwellige Spannung, die hauptsächlich von Papa und Kurt ausging, war etwas, dessen sich alle Anwesenden bewusst waren.
Als es, wie die alte Familientradition es erforderte, Zeit war für Kaffee und Brandy, der nach europäischer Art im Salon eingenommen wurde, richtete Papa seinen Blick auf Rolfe.
»Komm mit ins Arbeitszimmer, Rolfe. Wir müssen miteinander reden.«
Instinktiv wusste Rolfe, dass sie nicht darüber sprechen würden, wie die Ernte auf Krugerhoff oder Rhein-Schloss verlief. Der wütende Blick seines Vaters und sein steinerner Gesichtsausdruck ließen vermuten, dass er ihm die Hölle heiß machen würde.
Nachdem sich die Bürotür hinter ihnen geschlossen hatte,
setzte sich Carl Stenmark hinter seinen Schreibtisch. Rolfe wollte sich ebenfalls setzen, aber sein Vater knurrte ihn an: »Du bleibst besser stehen.«
Mindestens eine Minute lang starrten Carls blaue Augen seinen Sohn böse an. Dabei trommelte er mit den Fingerspitzen nervös auf den Schreibtisch mit der Lederauflage. Rolfe war erleichtert, als sein Vater das angespannte Schweigen endlich durchbrach.
»Es ist schmerzlich für einen Vater, einen Sohn zu haben, für den er sich schämt und der die Familie betrogen hat. So fühle ich mich nämlich, Rolfe. Beschämt. Mehr als beschämt über dein Benehmen.« Carl wurde deutlicher. »Wie konntest du das tun? Du hattest unser Vertrauen! Ich habe dir vertraut und Kurt ebenfalls. Und du hast unser Vertrauen missbraucht.«
Rolfe wusste, worüber sein Vater redete, aber da er plötzlich Angst vor seinem Zorn hatte, zuckte er die Schultern und stellte sich dumm. »Ich weiß nicht, was du meinst, Papa.«
»Beleidige nicht meine Intelligenz«, polterte Carl. »Es geht um Marta, und was du mit ihr am Abend des Unwetters gemacht hast.« Seine Oberlippe kräuselte sich vor Abscheu. »Du hast sie in deinem Cottage verführt und Sex mit ihr gehabt. Und wenn ich zehn Jahre jünger wäre, würde ich dir deswegen die Seele aus dem Leib prügeln.«
Vor Papas glühendem Zorn zurückweichend, trat Rolfe einen halben Schritt zurück, aber dann erinnerte er sich daran, wie es gewesen war, und versuchte, sich zu verteidigen. »Das stimmt nicht ganz, Papa, ich habe Marta nicht gegen ihren Willen verführt. Ich weiß nicht, was Marta gesagt hat, aber sie...«
»Hör auf! Meine Güte! Sei ein Mann und stehe zu dem, was du getan hast, anstatt wie ein Feigling zu versuchen,
die Schuld auf eine
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