Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
leicht ein Urteil ab, und wenn er es einmal getan hatte, würde niemand ihn dazu bewegen, seine Meinung zu ändern. Später, nicht jetzt, würde er darüber nachdenken, wie unfair Papa gewesen war, dass er Marta geglaubt hatte anstatt seinem eigenen Sohn, den er
verstoßen hatte, um seinen ältesten Sohn und Erben zu besänftigen. Rolfes Gedanken drehten sich nur noch darum, dass er seinen Lebensinhalt, nämlich Marta und Krugerhoff, verloren hatte.
Er hatte keine Idee, was er jetzt tun sollte. Roboterartig holte er zwei Koffer und eine Reisetasche unter seinem Bett hervor und füllte sie mit Kleidung, Büchern und der Trophäe, die er in der Volksschule für den Eierlauf gewonnen hatte. Er betrachtete das Foto seiner Eltern, das seit Jahren auf seiner Frisierkommode stand, wickelte es in ein Hemd und steckte es in seinen Koffer.
Es klopfte leise an die Tür, und Greta betrat den Raum. Sie sah ihn packen und fing an zu weinen.
»Oh, Rolfe, ich kann nicht glauben, was Papa da macht. Er ist außer sich vor Zorn.«
»Ich weiß.« Sie umarmten einander, aber es gelang ihm nicht zu lächeln. »Er hat mir nicht geglaubt, ebenso wenig wie Kurt, aber«, während Rolf ihr in die Augen sah, wurde ihm bewusst, dass dies wahrscheinlich das letzte Mal war, »ich schwöre auf Mutters Grab, Greta, dass ich Marta nicht gegen ihren Willen verführt habe. Ich liebe sie und habe geglaubt«, ein frustrierter Laut ging seiner Bemerkung voraus, »sie würde meine Gefühle erwidern.«
Greta schenkte Rolfe ein mattes Lächeln. »Ich glaube dir. Marta ist ziemlich berechnend. Dieses junge Ding weiß genau, wie sie es anstellen muss.« Sie sah Rolfes fragenden Blick, und in ihrer sachlichen Art erklärte sie es ihm. »Warum sollte sie den zweiten Sohn heiraten, wenn der Erstgeborene ihr Reichtum und Ansehen bietet? Marta Gronow ist nicht dumm, aber sie kann mich auch nicht für dumm verkaufen.«
Er wollte nicht darüber nachdenken, dass Greta recht hatte, daher schwieg er. Später würde er ihr zustimmen.
Er warf seine Brieftasche, einige Toilettenartikel und das Tagebuch, in das er begonnen hatte, seine Gedanken zu schreiben, in die Reisetasche, zog den Reißverschluss zu und legte die Tasche über seine Schulter.
»Was wirst du tun, Rolfe?«
»Ich weiß es nicht. Vermutlich fahre ich heute Abend nach Krugerhoff.«
»Papa wird dich aus dem Valley jagen. Er kann erbarmungslos sein, genauso wie Kurt. Du solltest nach Adelaide oder Melbourne gehen. Verkauf Krugerhoff und nimm das Geld, um irgendwo neu anzufangen. Irgendwie wird es uns beiden gelingen, in Kontakt zu bleiben. Ruf mich an, wenn du kannst.« Ihr Lächeln wurde breiter und erinnerte ihn an das Lachen seiner Mutter. »Ich möchte wissen, dass du in Sicherheit bist.«
Er wusste, dass sie es gut mit ihm meinte. »Ich werde Krugerhoff nicht verkaufen. Eines Tages, auch wenn es vielleicht zwanzig Jahre dauert, wird Papa mich bitten, zurückzukommen. Ich werde dafür sorgen, dass Otto und Ernst sich um die Weinernte und die Gebäude kümmern. Ich werde weiterhin alle Gebühren und Steuern bezahlen.« Er dachte kurz nach, obwohl es ihm schwerfiel, klar zu denken. »Vielleicht fahre ich nach Griffith oder nach Sydney. Das ist eine große Stadt, und im Hunter Valley findet man immer einen Job auf einem Weingut.« Er hob die Koffer vom Boden auf und stöhnte über ihr Gewicht.
»Versuch nicht, dich mit Marta zu treffen, Rolfe«, warnte Greta, als ob sie ahnte, dass er das vorhatte. »Sie hat ihre Entscheidung getroffen, wen sie bevorzugt. Und Papa und Kurt werden wie Adler über sie wachen. Du hast keine Chance, in ihre Nähe zu kommen.«
»Natürlich.« Aber er konnte ihr schreiben. Ja, das würde
er tun, wenn er sich irgendwo niedergelassen hatte. »Ich gehe jetzt besser...«
»Ja, geh, bevor Kurt noch einen Wutanfall kriegt und dich sucht«, stimmte Greta ihm zu. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und umarmte ihn mütterlich. »Ich werde dich vermissen... sehr sogar. Und John und der kleine Luke ebenso.«
»Ich werde sie auch vermissen, alle .« Greta öffnete ihm die Tür, und er ging so rasch hinaus, wie die schweren Koffer es ihm erlaubten, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sydney, Dezember 1963
Rolfes Koffer waren wieder einmal gepackt, seine Reisedokumente in Ordnung. Der Job bei Penfolds Wines hatte ihn gelangweilt. Wein zu verkaufen war seiner Meinung nach nicht so interessant, wie Trauben anzupflanzen und nach der Ernte guten Wein aus ihnen
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