Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
aufhört. Wenn Kurt weitere Fragen stellt, werde ich ihm sagen, dass du auf dem Bett eingeschlafen bist und ich auf dem Sofa. Deshalb haben wir das Telefon nicht gehört. Verstehst du?« Sie lächelte, als er ihr mit einem stummen Nicken zu verstehen gab, dass er verstanden hatte.
Kurt kam wieder ins Wohnzimmer. Er wirkte immer noch angespannt und verärgert. Rolfe kannte die Launen seines Bruders. Man konnte ihn nicht so leicht abspeisen, wie Marta glaubte. Wie es seine Art war, würde Kurt so lange herumstochern, bis er zufrieden war, und derzeit konnte Rolfe nicht erkennen, dass er mit dem, was sie gesagt hatten, zufrieden war.
»Merkwürdig. Das Telefon ist in Ordnung.« Er fixierte seine Verlobte. »Ich sagte Papa, dass alles in Ordnung ist. Komm jetzt.« Er streckte die Hand nach Marta aus. »Wir sollten gehen. Lilly hat das Abendessen für dich aufgehoben.« Kurz und bündig wünschte er Rolfe eine gute Nacht und verschwand mit Marta.
Rolfe sank schwerfällig auf das Sofa und starrte in die Flammen. Seine Schultern sackten nach vorne, während er an die letzten beiden Stunden dachte und daran, wie sich sein Leben verändert hatte. Er hatte nicht die Absicht gehabt, mit Marta zu schlafen, weil er es akzeptiert hatte, dass er sie nur mit einem gewissen Abstand lieben konnte. Aber... sie hatte ihn nicht zurückgewiesen, als er sie geküsst hatte, sie war genauso scharf und voller Leidenschaft gewesen wie er! Er wurde rot, als er daran dachte, wie ausgiebig sie es miteinander getrieben hatten.
Gott... was hatte er bloß getan? Er hatte das Vertrauen seines Bruders missbraucht . Er schüttelte den Kopf, unfähig, die Welle von Selbstverachtung, die ihn plötzlich überkam, unter Kontrolle zu bringen. Aber... er liebte sie, und Marta hatte bestimmt auch Gefühle für ihn, sonst hätte sie sich nicht so verhalten. Das war doch logisch, oder nicht? Vielleicht... liebte sie Kurt nicht mehr. Er schenkte ihr nicht gerade viel Aufmerksamkeit. Rolfe hatte sie fast zwei Monate lang beobachtet und festgestellt, dass sie die Art Frau war, die viel Aufmerksamkeit und Zuneigung brauchte. Die hatte sie von Rolfe bekommen und leidenschaftlich darauf reagiert. Er reckte entschlossen das Kinn. Er würde Marta bitten, ihn zu heiraten. Ja, genau das würde er tun. Er lächelte breit, doch als er an seinen Vater dachte, schnürte sich sein Herz vor Angst zusammen. Was würde Papa davon halten? Wie würde er reagieren, wenn er Kurt, seinem Lieblingssohn, Marta wegnahm? Rolfe schluckte
und hatte Schwierigkeiten, den Kloß in seinem Hals loszuwerden. Die Antwort lag auf der Hand: Papa würde überaus verärgert sein... Er schüttelte den Kopf, weil er nicht an Carl Stenmarks üble Launen denken wollte. Er hatte seine Entscheidung getroffen.
Er würde Marta bitten, seine Frau zu werden. Und nach dem zu urteilen, wie sie sich heute ihm gegenüber verhalten hatte, würde sie ja sagen. Über Papa und Kurt würde er sich später noch genügend Gedanken machen können.
Mit feuchten Augen blickte Carla von dem Tagebuch auf. Sie hatte nicht gewusst, wie schwer die Kindheit ihres Vaters und seine Zeit als junger Mann gewesen war. Sie erinnerte sich an ihre eigene Kindheit. Ihr Vater war immer streng und ernst gewesen, aber auch sehr liebevoll. Und er hatte sich ganz seinem Weingut gewidmet, nachdem er die finanziellen Mittel gehabt hatte, Valley View zu kaufen und zu bebauen. Es war sein Lebenstraum und sein Lebenswerk gewesen.
Wie kam es jedoch, dass weder sie noch ihre Mutter irgendetwas von der Last, die er seit Jahren mit sich herumschleppte, geahnt hatte? Rolfe Kruger hatte um diesen Teil seines Lebens eine hohe Mauer errichtet und ihnen nie einen Einblick gewährt. Manchmal hatte er wohl irgendwelche Geschichten erfunden, um ihre Neugier zu befriedigen. Das war wirklich traurig.
Sie blätterte die wenigen noch ungelesenen Seiten durch. Sie musste das Tagebuch unbedingt zu Ende lesen.
4
R olfe ließ sich über eine Woche nicht in Stenhaus blicken und behauptete, das Wichtigste für ihn sei die Ernte und die nächste Phase der Weinherstellung. Kurt hatte am Tag nach dem Gewitter mit ihm geredet und gesagt, dass Marta ihm auf Krugerhoff nicht mehr aushelfen würde - was er bereits erwartet hatte. Während die Zeit verstrich und er keinen Kontakt mit seiner Familie hatte, versuchte Rolfe, die Alarmglocken in seinem Hirn auszuschalten. Er redete sich ein, dass Kurts Reaktion und das Schweigen seiner Familie normal seien, weil sie
Weitere Kostenlose Bücher