Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
nach der Kirche oft dort spazieren, wenn das Wetter schön ist.«
Carla begriff. Ganz und gar. Ihre Tante gab ihr zu verstehen, dass sie gerne im Park mit ihr reden würde. Sie lächelte und nickte. »Ganz genau. Dann treffen wir uns dort wahrscheinlich mal.«
»Das ist gut möglich«, antwortete Greta, ein verschwörerisches Zwinkern in den Augen.
Rachel strahlte die beiden an, während sie den Föhn anschaltete. Das Geräusch verhinderte jegliche weitere Unterhaltung, aber Carla hatte nichts dagegen. Sie hatte Kontakt zu ihrer Tante aufgenommen und erfahren, dass Greta nicht abgeneigt war, trotz der Weigerung ihres Vaters mehr von ihr wissen zu wollen. Dass ihre Tante bereit war, seinen Zorn zu riskieren, war nach Carlas Auffassung ein Zeichen für ihr Interesse. Noch eine Überraschung! Einige Zeit später verließ Greta den Salon. Sie hatte das Gefühl, dass sie möglicherweise eine Verbündete
in Stenhaus hatte. Und das konnte nichts Schlechtes sein.
Luke, der im Glashaus auf einem Stuhl saß, beobachtete, wie seine Mutter überprüfte, ob der Tisch korrekt gedeckt war. Manchmal brachte Margit, die Köchin, das Besteck durcheinander, und Großvater achtete peinlich genau darauf, dass alles genau an seinem Platz lag. Heute wirkte seine Mutter irgendwie anders. Ach ja, sie war beim Friseur gewesen. Ihr Haar sah absolut perfekt aus. Keine einzige Strähne stand heraus. Er hatte fast immer ein Gespür für das Befinden seiner Mutter, und auch diesmal war es so. Das geheimnisvolle Lächeln und die Art, wie sie leise summte, gaben ihm zu verstehen, dass sie eindeutig einen guten Tag gehabt hatte.
»Du siehst aus wie die Katze, die den Kanarienvogel verspeist hat, Mum. Was hast du angestellt?«
»Warum glaubst du, dass ich etwas angestellt habe?«, antwortete Greta ausweichend und schaute ihn unschuldig an.
»Ich spüre es, wenn du etwas Ungewöhnliches erlebt hast. Das ist dir doch bekannt. Hast du vor, eine Party zu geben, in Urlaub zu fahren oder …?« Er musterte sie fragend, und seine Neugier stieg bei ihrem gespielt unbeteiligten Gesichtsausdruck.
»Ich habe lediglich einen interessanten Tag gehabt, das ist alles.«
»Beim Friseur?«, fragte er verdutzt.
Greta stellte sich neben ihn ans Fenster. Sie senkte ihre Stimme, so dass sie beinahe flüsterte: »Okay, ich sage es dir, aber du musst es für dich behalten, Luke. Ich habe Carla heute getroffen. Sie hat sich dort ebenfalls frisieren lassen.«
»Wie praktisch.« Seine Stimme wurde hart. »Ich hoffe, sie hat keine Szene gemacht.«
»Nein, das hat sie nicht«, antwortete Greta rasch und ein wenig barsch. »Wir haben eine Weile miteinander geredet, hauptsächlich über ihren Sohn. Sie sind einander genauso nah, wie wir beide es sind. Carla scheint... nett zu sein.«
»Niemand hat gesagt, dass sie nicht nett ist. Aber es ist nicht richtig, dass sie hier ist. Großvater möchte das nicht, sie erinnert ihn zu sehr an die Vergangenheit. Und Lisel will auch nicht, dass sie hier ist.«
»Lisel mag sie nicht, weil Papa sie nicht mag«, schoss Greta zurück. »Was geschehen ist, liegt so lange zurück. Papa ist alt und störrisch, und er meint, er hat recht daran getan, Rolfe zu verstoßen, aber...« Sie atmete tief durch und sagte dann leise: »Ich glaube es einfach nicht und habe nie geglaubt, was Marta Rolfe damals vorgeworfen hat. Sie war eine gerissene, hinterhältige junge Frau, die einen Fehler gemacht und nicht den Mut gehabt hat, es zuzugeben - einen Fehler, unter dem wir alle haben leiden müssen.«
Verblüfft fixierte Luke seine Mutter. »Leiden? Was willst du damit sagen?«
»Durch die Geschichte dieser Frau habe ich den Bruder, den ich so sehr geliebt habe, verloren. Und Rolfe hat sein Leben verloren, das er im Barossa mit seiner Familie hätte haben sollen.« Sie sah zu ihm auf. »Und du auch. Du hast deinen Onkel verloren, hast ihn nie kennengelernt und bist nicht mit ihm aufgewachsen. Und auch Lisel wurde der große Bruder genommen.«
Es dauerte einen Moment, bis Luke das begriffen hatte. Dann sagte er: »Du gehst von der Vermutung aus, dass Marta über ihre Beziehung mit Rolfe gelogen hat. Und wenn sie doch die Wahrheit gesagt hat?«
»Sie hat gelogen, obwohl wir die Wahrheit niemals genau erfahren werden. Ich kannte meinen Bruder gut. Rolfe war gar nicht in der Lage, all das zu tun, was er ihrer Aussage nach verbrochen haben soll. Genauso wie er glaube ich, dass Kurt sie dazu gezwungen hat, Papa das zu sagen, was sie ihm erzählt
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