Im Tal der roten Sonne - Australien-Saga
weitläufigen Holzveranda, die sich zehn Meter lang vom Wohnzimmer und der Küche aus erstreckte. Pauls Grundstück lag in einem Tal und war von Rebstöcken umgeben. Zu den Gästen gehörten die Conrads, Carla, Angie und Sam, die Loongs sowie verschiedene andere Leute, mit denen Paul geschäftlich zu tun hatte, Händler, Bauunternehmer sowie künftige als auch zufriedene Kunden.
Carla arbeitete jetzt schon ein Jahr für Paul und war mit seinen architektonischen Fähigkeiten vertraut. Sie hielt ihn für außergewöhnlich talentiert, nicht nur weil überall im Barossa Valley und darüber hinaus Beispiele seiner Restaurierungskünste und neuer Arbeiten zu finden waren, sondern auch weil seine Werke äußerst innovativ und einfallsreich waren. Sie blickte sich um und bewunderte die Konstruktion seines Hauses und wie gut es sich in die umliegende Landschaft einfügte. Es war modern, aber nicht
ultramodern, und er hatte viele natürliche Materialien benutzt, wie Bauholz und natürliche Steine sowie große Glasplatten, um die ländliche Umgebung zu nutzen. Eine Fülle von einheimischen Pflanzen, die das Haus umgaben, vermittelten den Eindruck, dass das Haus sich perfekt in die ländliche Umgebung einfügte. Sie kam gerne hierher und fand immer etwas Neues, das sie bewundern konnte, ein Detail, das ihr vorher nicht aufgefallen war.
Auch Angie schaute sich voller Bewunderung um und sagte leise: »Das Einzige, was hier fehlt, ist die Hand einer Frau.«
»Ich vermute mal, dass Paul das von Lisa erwartet hat«, flüsterte Carla, wobei ihr Gesichtsausdruck bewusst neutral war. Sie würde sich nicht von Angies ständigen Versuchen, sie zu verkuppeln, beeinflussen lassen. Die beste Lösung war sowieso, sie zu ignorieren. Als die gewünschte Reaktion ausblieb, wandte sich Angie einem Winzer auf der anderen Seite der Veranda zu. Carla blieb versonnen am Geländer stehen, inmitten des Lärms, des Geplauders und der Musik.
Das Leben wurde langsam schön. Der Brief des Anwalts an Josh war erfolgreich gewesen. Wenn sie Josh nun sah, was nicht allzu oft vorkam, hielt er sich von ihr fern. Das war gut so, soweit sie betroffen war, obwohl sie seine stumme Feindseligkeit deutlich spüren konnte. Und tief im Innern war ihr bewusst, dass sie sich vor ihm schützen musste. Josh war ein Problem, doch sie musste lernen, damit zu leben.
Es gab jedoch viele andere Fortschritte und schöne Ereignisse, die sie ablenkten. Greta Michaels und sie hatten sich einige Male im Park getroffen und miteinander geredet. Ab und zu war Sam dabei gewesen. Von Greta erfuhr sie mehr über die Stenmarks, ihre Familiengeschichte - sie
hatten ihren deutschen Namen Steinmarch in das englisch besser auszusprechende Stenmark geändert - und über die entscheidenden Jahre im Leben ihres Vaters und die Zeit, als er ein junger Mann gewesen war. Einmal zeigte Greta ihr ein Foto ihrer Mutter, Anna Louise, damit Carla die Ähnlichkeit sehen konnte. Die einzige Person, über die sie sich nie ausführlich unterhielten, war Gretas Vater. Es war besser so. Im Laufe der Unterhaltung hatte Carla etwas über das Wesen ihres Großvaters erfahren und die Lebensregeln, die sein Vater ihn gelehrt hatte. Sie akzeptierte, dass er das Recht hatte, diese Regeln auch auf seine Familie anzuwenden, obwohl sie ihr nicht logisch erschienen.
Mehr als dreißig Jahre hatte Carl Stenmark seine Enttäuschung und seine Wut an seinem jüngeren Sohn ausgelassen, um ihn zu beeinflussen, bis es zu einem Teil von ihm geworden war, genauso wie Essen oder Trinken. Leider wurde ihr aufgrund dieser Erkenntnis eines mit absoluter Sicherheit klar: Nur ein Wunder oder eine Katastrophe würde ihren Großvater dazu bewegen, seine Meinung zu ändern und sie und Sam in die Familie aufzunehmen. Sie atmete tief durch. Sie würde sich dadurch keinesfalls deprimieren lassen, besonders nicht - ihr Blick schweifte über die Rebstöcke, die gegenwärtig ihren Winterschlaf hielten, und den klaren blauen Himmel - an einem so schönen Tag.
Dann beobachtete sie Paul, der sich an den beiden Grillgeräten zu schaffen machte. Er spürte, dass sie ihn ansah, und registrierte, dass sie allein am Verandageländer stand. Er hob sein Weinglas und prostete ihr stumm zu, und sie erwiderte die Geste. Dann merkte sie aus dem Augenwinkel, dass die Conrads auf sie zukamen. In den letzten Monaten waren sie gute Bekannte, wenn nicht sogar gute
Freunde geworden. Carla glaubte, dass die Unterstützung der Conrads dazu beigetragen hatte,
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