Im Tal der Schmetterlinge
unser Leben war - so wie jeden Tag. Ich hob Jeremy in Ezras Einkaufswagen und eilte mit Ezra im Schlepptau durch den Laden. »Was hältst du davon, wenn du dich mit deinem Wagen auf die Bank neben der Tür setzt, während wir unseren Einkauf beenden?«, sagte ich und wusste, dass er in diesem Zustand keinen Streit anfangen würde. Und dem war auch so. Wie ein gehorsamer Wachposten schlurfte er neben Jeremy und mir durch das Labyrinth aus Einkaufswagen und Lebensmitteln zur Sitzbank neben der Eingangstür.
Als ich meine Mutter fand, stand sie im Gang mit Tiernahrung und erklärte einem pickligen jungen Mann, welchen Karton Katzenfutter er ihr vom Regal herunterheben sollte. Der Verkäufer schob den Karton unter den Einkaufswagen und griff nach einem weiteren. »Sie müssen viele Katzen haben«, sagte er erstaunt.
»Fünf«, erwiderte meine Mutter. Auch wenn das nicht ganz
der Wahrheit entsprach. Über ein Dutzend hatten mich heute Morgen beim Verlassen des Hauses begrüßt.
Ich lächelte dem Verkäufer zu und gab ihm zu verstehen, dass er nun gehen konnte. »Du hast genug Katzenfutter zu Hause, Mom.« Ihre Regale waren voll mit dem Zeug.
»Ich will nur meine Vorräte auffüllen. Es ist im Angebot.«
»Warum kaufen wir nicht etwas Obst für Dad und fahren nach Hause? Wir sind doch langsam alle müde.«
Ich hakte mich bei meiner Mutter ein und schob meinen Sohn im Einkaufswagen zur Obst- und Gemüseabteilung. Gemeinsam marschierten wir an den Orangen vorbei, entschieden uns für duftende Fuji-Äpfel und drückten Avocados, bis meine Mutter eine aus Plastik erwischte, die laut quietschend protestierte. Der zuständige Abteilungsleiter hatte sie anscheinend dort platziert, um Kunden davon abzuhalten, ständig seine Ware zu zerquetschen. »Sie wachsen paarweise«, erzählte ich meiner Mutter und hielt zwei reife Avocados hoch. »Auf Bäumen, die man Hodenbäume nennt.« Wir brachen in Gelächter aus, und für diesen einen kurzen Augenblick waren die Krankheit meines Vaters, Ezras Anfall im Wagen, sein verwirrter Zustand und sogar das Feuer in den Bergen vergessen.
8.
MEIN SOHN SCHRIE, und ich lauschte vom Schlafzimmer meiner Eltern aus, ob er wieder von allein zurück in den Schlaf glitt. Doch dann stieß er ein verängstigtes Heulen aus. Ich rannte in Vals ehemaliges Kinderzimmer, wo Jeremy wild aufs Bett einschlug, als würde er verzweifelt nach etwas suchen oder fliehen wollen.
Ich ließ die Tür einen Spalt offen, damit genug Licht hereinfiel und ich ihn sehen konnte. Er schwitzte, und seine Augen waren weit aufgerissen, er schien zu Tode erschrocken. »Mommy! Mommy!« Im anderen Bett säuselte meine Mutter leise im Schlaf, mit halb geöffneten Lidern, und die Pupillen huschten hin und her, was mich erschaudern ließ. Anscheinend war sie taub für die Schreie.
»Was ist los?«, fragte ich und schlang Jeremy die Arme um den Körper, aber er schob mich fort.
»Mach, dass er weggeht!«, schrie er.
»Wer? Vor wem hast du Angst?«
»Mommy! Mach, dass er weggeht!«
»Ich bin bei dir.« Ich hielt sein Gesicht in meinen Händen. »Sieh mich an, ich bin bei dir!«
Doch er war an einem dunklen Ort gefangen und konnte mich nicht finden. Er glitt vom Bett zu Boden, wälzte sich
dort, in den Schatten, und rief nach mir. »Geh weg!«, schrie er schließlich.
Ich setzte mich neben ihn auf den Fußboden und versuchte, jede Berührung zu vermeiden, da ich aus einschlägigen Büchern wusste, dass ihn eine Umarmung nur noch weiter verstören würde. Schon bei früheren Besuchen hatte er in diesem Haus unter Nachtschreck-Attacken gelitten, zu Hause jedoch nie. Vermutlich lösten die Aufregung und die Strapazen der Reise sie aus. Am nächsten Morgen erinnerte er sich an nichts. Dieses Wissen war allerdings ein schwacher Trost, während er neben mir wie besessen um sich schlug. Er war so verängstigt, und ich konnte nichts für ihn tun. Er drückte sich in die Zimmerecke und versuchte dem zu entkommen, was auch immer ihn jagte, und ich folgte ihm, blieb in seiner Nähe und murmelte ihm die ganze Zeit über Ich bin hier, ich bin hier zu, obwohl ich wusste, dass er mich nicht hörte.
Nach einigen Minuten schlurfte Ezra in Unterhose und T-Shirt ins Zimmer. »Brauchst du eine Pause?«, fragte er.
»Geht schon.«
»Du denkst, ich schaff es nicht, ihn zu beruhigen?«
Ich warf die Hände in die Höhe. »Er ist unerreichbar«, sagte ich. »Ich kann ihn da nicht rausholen!«
Er fuhr sich mit der Hand über die Schläfe. »Es
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