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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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tut mir leid«, sagte er. »Ich wollte helfen und nicht deine Last noch vergrößern.«
    Ich drückte seine Hand, um ihm zu zeigen, dass ich ihn verstand, und ließ sie dann los.
    »Wie wäre es, wenn ich ein bisschen bei dir bleibe?« Er setzte sich auf den Boden und legte einen Arm um meine Schulter, und bei der Berührung entspannte ich mich ein wenig.

    »Erinnerst du dich«, fragte ich, »im Krankenhaus, kurz nach deinem Schlaganfall, als du nicht richtig aufwachen konntest?« Ich musste lange auf ihn einreden, um ihn an die Oberfläche zu locken - er war wie eine Spinne, die in einer Badewanne mit so glatten Wänden gefangen war, dass das Tier nicht an ihnen hochklettern konnte. »Eines Nachts sagtest du, Ich ertrinke in Champignoncremesuppe .« Ich kicherte leise, doch Ezra lachte nicht mit. Damals waren wir beide in lautes Gelächter ausgebrochen. Es hatte zu der Zeit einfach lustig sein müssen , denn ansonsten hätte uns die Situation zu Tode erschreckt.
    Ezra zeigte mit einem Kopfnicken auf meine Mutter. »Ich verstehe nicht, wie sie so daliegen kann.« Meine Mutter zuckte im Schlaf zusammen, wenn Jeremy aufschrie, und ihre Augen flatterten, aber sie erwachte nicht.
    »Vermutlich liegt es an den Schlaftabletten, die sie nimmt. Ich mache mir Sorgen, weil das Zeug sie derart benebelt.«
    »Sonderbar«, sagte Ezra und deutete erst auf meine Mutter und dann auf Jeremy. »Sie scheinen fast den gleichen Traum zu singen.«
    Tatsächlich, nur wenige Augenblicke, bevor sich Jeremys Wimmern wieder in ein lautes Schreien verwandelte, verzog meine Mutter schmerzhaft das Gesicht, und ihre Arme und Beine zuckten mehrmals, als versuchte sie zu fliehen - wie bei Hunden, wenn sie im Traum laufen. »Geh weg!«, brüllte Jeremy.
    Ezra rieb sich über die Stirn. »Der Holzschläger ist zu hart«, sagte er. »Ich muss zurück ins Bett.«
    »Ich verstehe. Ist schon in Ordnung.«
    Ich wünschte, er wäre trotz meiner Beteuerungen geblieben und hätte mich weiterhin im Arm gehalten, während wir gemeinsam abwarteten, bis Jeremys Nachtschreck verflogen
war. Doch Ezra berührte mich ein letztes Mal an der Schulter und verließ den Raum.
    Aus der Zimmerecke neben Jeremy beobachtete ich eine Weile meine Mutter, bemerkte das Zucken ihrer Brauen und die halb geöffneten Augen, die sich im Traum bewegten. Ich warf einen Blick in die Schatten, zu dem Punkt, den sie anstarrte, und erwartete beinahe, das zu sehen, wovor sie solche Angst hatte. Dann entspannte sich ihr Gesicht, ihre Lider schlossen sich, und im selben Moment verklangen auch Jeremys Schreie. Ich trug ihn ins Bett, deckte ihn zu und streichelte ihm die nassgeschwitzte Stirn, bis ich sicher war, dass er fest schlief. Wie die Katzen auf unserer Farm, die sich in dem einen Moment noch vor einem umherschleichenden Kojoten zu Tode fürchten und im nächsten seelenruhig auf der Veranda dösen.
    Ich zog die Schlafzimmertür hinter mir zu und ging in die Küche, um mir das Feuer anzuschauen. Während ich aus dem Fenster starrte, entflammten Bäume und zeichneten sich hell gegen den Nachthimmel ab. Unaufhaltsam fraß sich das Feuer über den Gipfel und kroch den Berghang herab. Ein U-Haul-Umzugswagen und ein Pick-up mit Anhänger fuhren in der Nacht an der Farm vorbei - Nachbarn von weiter oben im Tal, die ihre Habseligkeiten aus dem Weg des Feuers schaffen wollten. Ich litt mit diesen entwurzelten Seelen, wie ich Mitleid mit mir selbst hatte. Seit unserem Umzug nach Cochrane fühlte ich mich verloren, als wachte ich in einem fremden Hotelzimmer auf und wüsste nicht, wo ich mich befand. Ich war tatsächlich einmal in unserem Haus erwacht und hatte angenommen, noch immer in Chilliwack zu sein. Ich erkannte zwar schon bald, wo ich war, aber das sonderbare Gefühl hallte lange nach. Meine Seele schien noch nicht auf dem neuesten Stand der Dinge zu sein, weigerte sich offenbar standhaft,
das alte Haus, das für mehr als ein Jahrzehnt mein Zuhause gewesen war, gehen zu lassen, und nun, nachdem fest an der Leine gezogen wurde, sah sie sich gezwungen, mich auf dieses Abenteuer zu begleiten. Es gibt Geschichten über Haustiere, die riesigen Entfernungen und unüberwindlichen Schwierigkeiten trotzen und nach Hause zurückfinden. Dieses Bild hatte ich auch von meiner Seele, die mir wie eine verlorene Katze vorkam und sich nun durch eine fremde Umgebung kämpfen musste, um ihren Besitzer wiederzufinden. Und dabei wollte ich ihr helfen. Ich entleerte in unserem kleinen Haus Umzugskisten und

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