Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
Vom Netzwerk:
felsenfest überzeugt. Ich hasste ihn, mochte die Alternative - Katie - jedoch noch weniger. Allerdings war der Versuch zwecklos, meine Familie dazu zu bewegen, auf meinen Kosenamen zu verzichten. Einzig und allein Jude sprach mich mit meinem richtigen Namen an. Im Gegenzug nannte ich ihn nicht Jujube, wie es ein Großteil seiner Familie tat.
    »Katrine.« Ich blickte zu Jude, in der Annahme, er wolle mir eine Frage stellen. Da erkannte ich, dass er meinen Namen lediglich auf der Zunge rollte. »Hübsch«, sagte er und stupste meine Fototasche mit der Spitze seiner Arbeiterstiefel an. »Willst du etwa Bilder vom Tanz schießen?«
    »Ich habe meine Kamera selbst an meinen freien Tagen immer im Pick-up, nur für den Fall, dass mir etwas Interessantes vor die Linse läuft. Wir sind immer auf der Suche nach Fotos, um die Zeitung während langweiliger Wochen zu füllen.«
    »Niedliche Kinder, hübsche Pferde, so in der Art?«
    »Ja, vermutlich.« Ich warf einen Blick in den Rückspiegel und betrachtete Petersons Pferde. Ich hatte tatsächlich kurz erwogen, anzuhalten und ein Foto zu schießen.
    »Was zum Teufel …?«, rief Jude und zeigte mit dem Finger aus dem Beifahrerfenster.
    Ein Elch und sein Kalb stürzten aus den Büschen, sprangen auf die Schotterstraße und galoppierten in ihrer unbeholfenen Art vor uns her, zuerst auf gleicher Höhe, um dann
schneller zu werden und den Pick-up abzuhängen. »Schnapp dir meine Kamera!«, rief ich. Jude zerrte sie aus der Tasche, und ich riss sie ihm aus der Hand. »Hier, übernimm das Lenkrad.«
    »Hä?«, sagte er sprachlos.
    »Übernimm das Lenkrad!«
    Ich beschleunigte, um die Tiere einzuholen, und machte einige Fotos durch die Windschutzscheibe, bevor ich das Seitenfenster herunterkurbelte. »Stell deinen Fuß aufs Gaspedal!«, bat ich ihn. »Das ist unglaublich!«
    Er presste den Fuß aufs Gaspedal und lehnte sich zum Fahren zu mir herüber, während ich aus dem Fenster hing, um meine Fotos zu schießen. »Schau dir das nur an!« Ich jauchzte laut auf.
    »Da kommt ein Truck«, sagte Jude.
    »Was?«
    »Truck im Anmarsch! Hinter uns!«
    Ich packte wieder das Lenkrad und reichte Jude die Kamera, während er zurück auf seinen Sitz glitt und der Truck uns überholte. Die Elche preschten durch ein offenes Gatter, flohen über ein Feld und verschwanden im Unterholz.
    Jude schüttelte den Kopf. »Du bist total verrückt!«
    »Wie meinst du das?«
    Er lachte.
    Ich bog zur Gemeindehalle ab und parkte neben dem Ford meines Vaters. Doch als ich den Gurt löste, stieg Jude nicht sofort aus. Er verschränkte die Arme hinter der Rückenlehne. Sein Geruch nach Seife und Kreuzkümmel erfüllte den Wagen. »Ich wollte dich vorhin nicht beleidigen«, sagte er. »Du leistest gute Arbeit bei der Zeitung.«
    »Ich hätte mir mit den Fotos sonst mehr Mühe gegeben, aber wenn man als Reporterin für eine Zeitung wie den Observer
arbeitet, ist man für alles selbst verantwortlich. Am Dienstag hocke ich im Gericht. Am Mittwochnachmittag muss ich Fotos im Schwimmbad machen. Ich würde gerne sehen, ob es dir gelingt, ein anständiges Bild vom Aqua-Squaredance der Senioren zu schießen.«
    Jude lachte, und ich betrachtete seinen Mund, während sein Lächeln erstarb. »Na schön«, sagte er. »Ich bringe jetzt wohl besser den Sessel rein und fahre nach Hause, bevor es dunkel wird.«
    »Du bleibst nicht?«
    »Lillian kann nicht tanzen, und ich sitze ungern herum und unterhalte mich schreiend, um die Musik zu übertönen. Das ist ihr Ding.«
    »Ich werde auch nicht lang bleiben, aber ich habe meinem Vater die eine oder andere Polka versprochen. Mom kommt nie mit auf diese Tanzveranstaltungen.«
    »Vielleicht genehmige ich mir dann doch ein Bier und fahre mit dir zurück. Falls du nicht schon was anderes vorhast … oder hier mit jemandem verabredet bist.«
    »Nein, nein.«
    Menschen drängten sich an Tischen, die zwei Seiten der alten Gemeindehalle säumten. Der Raum roch nach Zedernholz und Zigarettenrauch, und das jahrzehntelange Tanzen hatte auf den Hartholzdielen tiefe Spuren hinterlassen. Nachdem die Gemeindehalle unzählige Male das Opfer blinder Zerstörungswut gewesen und dann renoviert worden war, hatte das Gemeinderatskomitee, dem auch mein Vater angehörte, beschlossen, die Glasfenster dauerhaft mit Brettern zu vernageln. Am einen Ende des Saals befand sich eine kleine Bühne, auf der nun eine Band spielte: ein Schlagzeuger, ein Gitarrist und ein Sänger am Keyboard. Es waren alles junge

Weitere Kostenlose Bücher