Im Tal der Schmetterlinge
rief Jeremy. »Krieg ich Schokolade?«
»Nein, aber du kannst einen Apfel und Erdnussbutter haben«, sagte ich und schnitt einen Apfel in Stücke. »Ich war
schrecklich gierig nach Fudge«, sagte ich zu meiner Mutter.
»Wahrscheinlich brauchte das dein Körper.« Als ich sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah, fügte sie hinzu: »Im letzten Frühjahr hatte ich ein heftiges Verlangen nach rohen Makkaroni. Ich aß Unmengen von dem Zeug. Konnte einfach nicht genug bekommen. Val hat dir vielleicht davon erzählt.«
Ich warf einen Blick ins Wohnzimmer, wo Val Kisten aufstapelte, um Platz für das Bett meiner Mutter zu schaffen. »Sie hat es beiläufig erwähnt.«
»Ich habe auch gedacht, dass ich verrückt bin. Ich habe jedes Mal einen ganzen Monatsvorrat gekauft und ihn überall im Haus gebunkert. Ich aß die Nudeln im Bett, und während ich mit deinem Vater fernsah, versteckte ich händeweise Makkaroni unter der Decke, die ich gerade für Jeremy häkelte. Dein Dad fragte mich: ›Woher kommen nur diese verdammten Makkaroni?‹ Ich habe ihm erzählt, eine Packung sei gerissen und ich müsse beim Fegen wohl einige übersehen haben. Ich dachte, ich verliere den Verstand. Also habe ich mit meiner Ärztin darüber gesprochen, und sie hat mich auf Eisenmangel hin untersucht.«
»Eisenmangel?«
»Die meisten Nudelsorten sind mit Eisen angereichert. Das wusste ich gar nicht. Du etwa?«
Ich schüttelte den Kopf. »Warum hast du das Val nicht gesagt?«
»Sie ist davon überzeugt, dass ihre alte Mutter einen Sprung in der Schüssel hat. Sie denkt, dass ich umherlaufe und alle Herdplatten anstelle und heiße Bügeleisen in den Wäschekorb werfe. Wenn sie das glauben will, soll sie das nur.«
Als ich Jeremy seinen Teller reichte, sah ich ins Wohnzimmer, um Vals Blick aufzufangen, aber sie hatte uns nicht zugehört.
»Die Herdplatten waren gestern Nacht wieder an«, sagte ich. »Obwohl ich mich gefragt habe, ob wir vielleicht einen Eindringling im Haus hatten. Ich habe draußen jemanden am Brunnen gesehen. Dann habe ich Schritte gehört und das Rasseln von Schlüsseln in seiner Hosentasche.«
»Das war eine Angewohnheit meines Vaters«, sagte meine Mutter. »Er schlich sich von hinten an mich heran, rassel, rassel . Ich hasste das Geräusch.«
Ich goss heißes Wasser vom Kessel in die Teekanne. »Und jemand spielte Klavier«, sagte ich und summte »If You Were the Only Girl in the World«.
Meine Mutter griff die Melodie auf und begann zu singen, auch wenn ihre ältliche Stimme eher einem hauchdünnen Flüstern glich. »Meine Mutter liebte dieses Lied.«
Val trat zu uns und klopfte sich Staub von der Jeans. »Okay, ich habe etwas Platz geschaffen. Jetzt bringen wir das Bett aus meinem alten Zimmer ins Wohnzimmer, Mom. Kat, hilfst du mir kurz?«
Meine Mutter sprang aus ihrem Schaukelstuhl. »Könnt ihr das nicht später machen?«
»Ich wollte Dad abholen«, sagte Val. »Eigentlich bin ich sowieso schon zu spät dran. Ich hatte ihm versprochen, um zehn da zu sein.«
»Dann lasst das Bett doch einfach dort, wo es ist. Jeremy stört mich nicht.«
Ich blickte zu Val. »Es dauert nur ein paar Minuten, um alles zu erledigen«, sagte ich und folgte meiner Schwester ins Schlafzimmer, wo wir sofort sahen, was meine Mutter vor uns verheimlichen wollte - ein Kätzchen zwischen dem Bettzeug, ein winziges getigertes Katzenbaby, viel zu jung, um von seiner Mutter getrennt zu werden. Meine Mutter hatte ihm wohl mit der Pipette Milch einflößen wollen, so wie sie damals die
Feldhasen gefüttert hatte, die ich in einem Fuchsbau gefunden und nach Hause gebracht hatte, Hasen, die nach zweiwöchiger, aufopferungsvoller Pflege gestorben waren. Meine Mutter wusste natürlich, dass das Kätzchen zu klein war - sie wusste alles über die Bedürfnisse junger Tiere -, hatte dem Kätzchen jedoch ihre Mutterliebe aufgezwungen, um sich seiner Zuneigung zu versichern.
»Oh, Mom«, sagte ich.
Sie hob das Kätzchen auf. »Ich wollte es vor Jeremys Mittagsschläfchen in die Scheune bringen. Ich weiß doch, dass du keine Katzen magst.«
»Ich mag Katzen«, erwiderte ich. »Ich habe drei zu Hause.« Aber unsere Katzen waren Hofkatzen, arbeitende Katzen, die sich ihr Trockenfutter und das gelegentliche Kraulen hinterm Ohr damit verdienten, dass sie die Nagetiere auf der Farm in Schach hielten. Ich hatte diese Einstellung Katzen gegenüber von meinem überaus praktisch veranlagten Vater geerbt, der die Kater eigenhändig kastrierte: Er stopfte sie
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