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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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geschrieben hatte, und las sie laut vor: » Als ich heute Nachmittag nach Kamloops kam, sah ich einige Heißluftballons, die genau über dem Highway schwebten. Sie wirkten so friedlich, wie sie einfach dort hingen, schwerelos, dem Wind völlig ausgeliefert, konnten nur entweder aufsteigen oder sinken, nichts weiter. Und genau so fühle ich mich, schwerelos in deiner Liebe, dir völlig ausgeliefert … Gütiger Himmel, habe ich diesen Blödsinn wirklich geschrieben?«
    Ich lachte. »Damals gefiel mir das.«
    »Wie können sämtliche Karten, die ich dir geschrieben habe, in dieser Kiste gelandet sein?«
    »Ich hatte das Zeug bei Mom gelassen. Am Tag nach meiner Hochzeit habe ich einen Briefumschlag mit allen Dingen, die du mir im Laufe der Zeit gegeben hast, auf deine Türschwelle gelegt.«
    »Weshalb?«
    »Keine Ahnung. Nachdem ich dich auf meiner Hochzeit gesehen habe, wollte ich dir wohl sagen …«
    »Dass auch du immer noch an mich denken musst.«
    Sanft strich ich mit der Hand über die Hochzeitseinladung in dem Notizbuch. »Warum bist du zu meiner Hochzeit gekommen?«
    »Es war eben ein großes gesellschaftliches Ereignis, das gesamte Tal war dort. Lillian hätte sich gewundert, wenn ich mich geweigert hätte mitzukommen. Sie hatte sowieso schon einen Verdacht.«
    »Und ich hoffte wohl im Stillen, Lillian würde den Umschlag mit deinen Postkarten vor dir finden.«

    »Wahrscheinlich hat sie das auch und alles in diese Kiste gestopft. Sie hat nie ein Wort darüber verloren. Aber das war auch nicht ihre Art. Sie hätte gehofft, dass ich zufällig darauf stoßen würde. Herrgott noch mal, diese Frau ist nie einfach mit etwas herausgerückt oder hat mich offen zur Rede gestellt! Es war immer ein Katz-und-Maus-Spiel.« Er wedelte mit den Karten. »Du warst allerdings auch nicht viel besser. Die Karten für Lillian auf die Türschwelle zu legen! Das hätte ich dir nicht zugetraut.«
    Ich grinste. »Das eine Mal war ich wohl zu allem fähig.« »Das erklärt auch, warum du Lillian und mich im Laufe der Jahre kein einziges Mal besucht hast.«
    »Und du glaubst, das hätte funktioniert?«, fragte ich. »Nach allem, was wir durchgemacht haben? Ich habe nie verstanden, wie du damit klargekommen bist, mich zu sehen, wenn ich meine Eltern besucht habe. Wie du den Nerv hattest.«
    »Ezra war immer dabei und auch deine Eltern. Wir hatten stets einen Anstandswauwau.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich musste dich wiedersehen.«
    Ich starrte zum Feuer hinauf, das am Berghang brannte, war verunsichert, wie ich reagieren sollte. Nach einem kurzen Schweigen fuhr Jude mit der Hand an meiner Wirbelsäule hinab. »Eine Mücke«, sagte er.
    Ich warf ihm mit hochgezogenen Augenbrauen einen Blick zu, doch er nahm die Hand nicht fort. Stattdessen malte er mir mit dem Finger Figuren auf den Rücken, so wie es in der Grundschule das Mädchen auf dem Platz hinter mir und wie ich es beim Rücken des Mädchens vor mir getan hatte - ein Erschaudern der Sinne: Imse Wimse Spinne, wie lang dein Faden ist, kam der Regen runter und der Faden riss, scheint die liebe Sonne, leckt den Regen auf, Imse Wimse Spinne, klettert wieder rauf. Judes Berührung war ein ebenso verführerisches
wie unerträglich köstliches Kitzeln. Er sollte aufhören. Er sollte weitermachen.
    »Was habe ich gerade geschrieben?«, fragte er. Ein Spiel, das wir während jener Nachmittage spielten, die wir in meinem Apartment im Bett verbrachten.
    »Keine Ahnung.«
    »Rate.«
    Ich schüttelte den Kopf und wich zurück. »Ich muss gehen.«
    »Es tut mir leid.«
    »Nein, ich hätte nicht kommen dürfen. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe. Was, wenn Jeremy aufwacht, und ich bin nicht da?«
    »Ezra könnte ihn beruhigen. Oder deine Mutter.«
    »Mom ist nicht mehr in der Lage, sich um Jeremy zu kümmern. Und was, wenn Ezra aufwacht? Wie sollte ich ihm erklären, dass ich auf einen Sprung bei dir vorbeigeschaut habe? Ich dürfte nicht hier sein.«
    Er nahm meine Hand. »Bitte, bleib noch ein bisschen, Katrine.«
    »Ich muss los.«

    Ich ging durch das trockene Gras zurück nach Hause, die Pfanne mit dem Fudge und dem großen braunen Briefumschlag in Händen. Rauch stieg mir in die Nase. Jemand im Tal spielte »If You Were the Only Girl in the World« auf dem Klavier. War das etwa meine Mutter? Es klang, als käme es von unserer Farm. Es war eine Melodie, die sie häufig spielte, eine eigenartige Wahl, die nicht zu der Tragödie passte, die um uns herum in den Bergen

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