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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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weinend, in dem Glauben, sie würde mich verlassen und nie wieder zurückkommen. Da ist sie auf einen Zweig getreten, und es war, als würde auch etwas in mir zerbrechen. Ich drehte mich um und ging zur Scheune, in der Dad arbeitete. In diesem Moment habe ich mich von ihr abgekapselt.«
    Val rieb sich übers Gesicht und drehte sich dann zu mir um. »Ich werde dir jetzt etwas erzählen, das Moms Verhalten erklären könnte, etwas, das mir passiert ist. Du hast mich wegen Grandpa gefragt. Nach seinem Verschwinden hatte ich schreckliche Angst, dass er in den Bergen nicht wirklich gestorben ist, dass er einfach eines Nachts wieder auftauchen könnte. Ich ließ beim Schlafen das Licht an, damit er mich nicht überraschen konnte.«
    »Warum sollte er dich überraschen wollen?« Dann dämmerte es mir. »Oh, Val!«
    »Meistens lauerte er mir in der Scheune auf oder in den Feldern oder im Wald, wenn ich die Kühe von der Weide trieb. Wenn er sich mir näherte, hörte ich seine Schlüssel in der Hosentasche rasseln, und ich versuchte mich zu verstecken, doch er fand mich jedes Mal.« Sie blickte auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. »Seine Hände waren so riesig, wie Teller. Heutzutage bringen sie Kindern bei, Nein zu sagen, sich anderen anzuvertrauen. Aber konnte ich zu einem Mann mit derart großen Händen Nein sagen?«
    Sie sah zu mir hoch, doch in diesem Moment wusste ich nicht, was ich antworten sollte.
    »Eines Tages waren Mom und Grandma in Kamloops beim Einkaufen, und ich fütterte die Kälber drüben bei Grandma, als er mich in der Scheune erwischte und ins Heu schleuderte.
Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, jedenfalls trat ich ihm diesmal hart gegens Schienbein und rief ›Ich werde es Dad erzählen‹. Aber er zerrte mich am Arm hinaus auf den Hof und ins Gewächshaus, wo eine der Katzen gerade Jungen bekommen hatte. Er hielt eines der Kätzchen über einen Wassereimer und drohte, den ganzen Wurf zu töten, wenn ich etwas verraten würde. Ich wollte mich losreißen, doch er zwang mich zuzusehen, wie er eines der Kätzchen ertränkte. Es wand sich in seiner Hand, schnappte verzweifelt nach Luft. Er griff sich ein zweites Kätzchen und wollte auch das ertränken, da kam Onkel Valentine übers Feld und ins Gewächshaus gelaufen. Valentine hielt einen Rechen wie ein Gewehr in Händen und sagte: ›Leg die Katze weg, John, und lass das Mädchen los, oder ich verrat es Maud.‹ Als wüsste er es, als wüsste er alles. Am nächsten Morgen fand ich sämtliche Kätzchen in dem Eimer vor, tot.«
    »Großer Gott, Val!«
    »Und da Mom derart viel Energie in ihre Katzen steckt, muss er ihr wohl genau dasselbe angetan haben. Jetzt verstehst du es, nicht wahr? Warum ich kein Drama um ihre Katzen mache, warum ich ihnen neue Familien suche, warum ich nicht will, dass du die Sache aufbauschst?«
    Ich nickte.
    Sie tätschelte meinen Oberschenkel. »Wenn wir schon davon sprechen - könntet Ezra und du heute Nachmittag die Katzen in die Käfige treiben? Dann kann Ezra sie vielleicht zum Tierheim auf dem Festplatz fahren. Ich muss hier bei Dad bleiben.«
    »Ich tu’s selbst. Ezra darf eine Zeitlang nicht Auto fahren.«
    »Ja, natürlich.«
    »Außerdem glaube ich sowieso nicht, dass er sich lange genug auf die Arbeit konzentrieren könnte, um mir eine große
Hilfe zu sein. Er hat das Kalb immer noch nicht geschlachtet.«
    Ein Stuhl kratzte über den Küchenboden, und auf einmal stand Ezra im Türrahmen. »Eure Mutter hat alles mit angehört«, sagte er. »Jedes gottverdammte Wort!« Er machte auf dem Absatz kehrt, ging aus dem Haus und knallte die Fliegengittertür hinter sich zu.
    Ich rieb mir übers Gesicht. »Mist!«
    »Du solltest mit Mom reden«, riet mir Val. »Über das, was du mir erzählt hast.« Als ich zu ihr hochsah, fügte sie hinzu: »Nichts von dem, was ich gesagt habe, war neu für sie.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich habe den Pflegern im Krankenhaus gesagt, dass ich Dad gegen zehn abholen käme, also sollte ich mich besser beeilen. Vielleicht kannst du Ezra dazu bewegen, dir mit Moms Bett zu helfen?« Ich folgte ihr in die Küche, und sie eilte zur Tür, bevor sie sich noch einmal umdrehte. »Mom, brauchst du etwas?«
    Meine Mutter saß in ihrem Schaukelstuhl und zupfte am Kragen ihrer Bluse herum, als wollte sie sich für ein Foto zurechtmachen. Jeremy spielte mit dem Kätzchen zu ihren Füßen.
    »Mom?«
    »Ich brauche nichts.«
    Val stand einen Moment lang da und klimperte mit ihren

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