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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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Schlüsseln, dann ging sie zu meiner Mutter und küsste sie auf die Stirn. »Ich bringe was zum Abendessen mit.«

13.
    ICH STAND MIT dem Rücken zu meiner Mutter am Küchenfenster, während ich Val in ihrem Pick-up davonfahren sah. Ezra kam aufs Haus zu, zog einen grünen Gartenschlauch hinter sich her. Er stellte den Rasensprenger neben die Farm und drehte ihn auf, um die Seitenwandung aus Zedernschindeln und das Gebüsch rund ums Haus zu besprenkeln, wie Jude das wohl bereits getan hatte, damit die Asche von den Bergen keine Funken schlagen konnte.
    »Was du Val eben erzählt hast«, sagte meine Mutter, »dass ich damals weggegangen bin, so war das nicht. Ich hätte dich nie einfach verlassen.«
    Als ich mich zu ihr umdrehte, war ihr Blick starr auf Jeremy gerichtet, der mit dem Kätzchen zu ihren Füßen spielte. Ich reichte meiner Mutter die Katze und führte meinen Sohn zur Tür. »Du hilfst Daddy, den Sprinkler aufzubauen, okay?«
    »Sprinkler!«, rief er und hüpfte die Treppe hinab.
    Ich wartete am Fenster, bis Ezra ihm die Hand gab, bevor ich meiner Mutter antwortete. »Du hättest mich nie einfach so zurückgelassen, und heute weiß ich das«, sagte ich. »Damals wusste ich das nicht.«
    Sie streichelte eine Weile das Kätzchen auf ihrem Schoß. »Dir hat nicht gefallen, dass ich schreibe.«

    »Mir hat nicht gefallen, dass du darin versunken bist. Dass ich dich nicht erreichen konnte. Aber ich habe dasselbe Bedürfnis, alles niederzuschreiben, damit ich mich später daran erinnere.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Darum geht es mir überhaupt nicht. Wenn ich schreibe, bin ich hier, in der Gegenwart. Ich erinnere mich nicht an die Vergangenheit. Dann kann ich vergessen. Und es gibt so viel, das ich vergessen möchte.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    Ein Bantamhuhn flatterte hoch und machte es sich in seinem Nest zwischen dem süß duftenden Steinkraut im Blumenkasten bequem. Meine Mutter trug das Kätzchen zum Fenster, um gemeinsam mit mir durch die Scheibe das Huhn zu beobachten. »Erinnerst du dich an den Gockel, den wir hatten, als du ein Teenager warst?«, fragte sie. »Der mir immer die Krallen in die Oberschenkel schlug, wenn ich die Hühner füttern wollte? Ein widerliches Tier. Es ging so weit, dass ich mich regelrecht davor fürchtete, in den Hühnerstall zu gehen, um die Eier zu holen, und du weißt, wie sehr ich es liebe, die Eier einzusammeln.«
    Ja, das wusste ich. Die wohlige Wärme eines Huhns unter seinem gefiederten Rock, das samtige Gewicht des glatten Eis. Die tiefe Zufriedenheit, sobald man einen Korb mit Eiern gefüllt hat, ein kostbarer, gesicherter Schatz.
    »Jeden Tag war es ein Kampf mit dem Hahn. Ich musste einen Eimer vor mir hertragen, wie einen Schild, damit er mir nicht in die Oberschenkel piekte. Wenn er sich auf mich stürzte, warf ich ihm den Kübel über seinen Kopf.«
    Ich nickte. Ich hatte auch schon Eimer zum Hühnerstall mitnehmen müssen, um mich vor Hähnen zu schützen, besonders vor einem, den ich wegen seines prächtigen roten und grünen Gefieders Christmas getauft hatte. Nachdem er
mir einmal seine Klauen ins Bein gerammt hatte, fing ich ihn ebenfalls mit einem umgedrehten Eimer ein. Merkwürdig, wie er dort unter dem Kübel gesessen hatte, stocksteif, wie festgefroren. Sobald ich die Hühner gefüttert und die Eier eingesammelt hatte, hob ich den Eimer wieder hoch, doch Christmas blieb einfach sitzen, die Augen starr auf einen Punkt am Horizont gerichtet. Ich musste einen Stein nach ihm werfen, damit er sich rührte. Ihm war nur ein kurzes Leben vergönnt. Als ich genug hatte vom täglichen Kampf, schlachtete ich den Hahn und machte Fleischbrühe aus ihm. Seine Hoden entsprachen denen eines Mannes. Ein so kleines Kerlchen, und dennoch hatte er in dieser Hinsicht so viel Glück!
    »Mit meinem Vater war es wie mit diesem verdammten Hahn. Ich wusste nie, wann er wieder zuschlagen würde. Ich hatte schreckliche Angst vor ihm, aber das ist keine Ausrede. Ich hätte mich und Val schützen müssen, und zwar schon viel früher, als ich es getan habe.«
    Sie streckte die Hand zum Fenster, und das Huhn versuchte ihr durch das geriffelte Glas in die Finger zu picken. »Ich habe alles daran gesetzt, damit er nie mit Val allein war, und falls ich in die Stadt musste oder nicht hier sein konnte, wenn sie aus der Schule kam, habe ich Valentine gebeten, auf sie aufzupassen. Gus habe ich den wahren Grund erst viele Jahre später verraten, obwohl beide, er und Valentine,

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