Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
Vom Netzwerk:
kopfüber in einen Gummistiefel, vollführte den Schnitt mit einem Taschenmesser und desinfizierte die Wunde mit Dettol. Sobald er seine Arbeit routiniert erledigt hatte, ließ er die Katzen sofort wieder los. Wankend entfernten sie sich vom Ort ihres Martyriums, schüttelten erst das eine Hinterbein und dann das andere, bevor sie ihre Demütigung hinter dem Geräteschuppen ableckten.
    »Es ist nur … Das Letzte, was du im Moment brauchst, ist eine weitere Katze«, sagte ich.
    Sie liebkoste das Kätzchen und drückte es an die Wange. »Was wird denn aus ihr, wenn ich sie nicht nehme?« Meine Mutter wartete keine Antwort ab, sondern eilte zurück zu ihrem Schaukelstuhl in der Küche, wobei sie die ganze Zeit über auf das Kätzchen einredete.

    Aus der Küche hörte ich Jeremy rufen: »Eine Miezekatze!«
    »Ruth Samuels ist gerade wieder gegangen, als ich aufgestanden bin«, sagte ich zu Val. »Sie muss das Tier hergebracht haben.«
    Val begann, das Bett neu zu beziehen. »Mach nicht so ein Aufheben darum, Kat. Ist doch nicht so wichtig.«
    »Aber du musst ständig neue Familien für die Katzen finden«, sagte ich, »und sie wird nicht aufhören, streunende Tiere aufzunehmen. Sie gibt allein für Katzenfutter fast dreihundert Dollar im Monat aus, und dann kommen noch all die ›Leckerchen‹ hinzu.«
    »Sie macht das schon seit Jahren«, sagte Val, »seit Jahrzehnten. Du hast die Fotoalben gesehen, die wir aus ihrem Zimmer ausgraben. Sie hat mehr Bilder von ihren Katzen als von uns. Ihr die Hölle heiß zu machen, wird nichts ändern.« Sie warf die Laken hin. »Und warum regst du dich überhaupt so auf? Ich bin diejenige, die die Arbeit mit den Tieren hat.«
    »Ich weiß nicht.« Die Fliegengittertür in der Küche wurde geöffnet, ein Stuhl kratzte über den Boden. Wahrscheinlich war Ezra für einen Kaffee ins Haus gekommen, dachte ich. Ich hob erst das eine Laken auf, dann das andere, und faltete sie, während Val die Decken zusammenlegte. »Früher, wenn ich nach Hause kam, saß Mom oft in dem Schaukelstuhl drüben und war völlig in ihr Schreiben vertieft«, sagte ich. »Du weißt, wie sie dann ist. Kein Hallo, wie war dein Tag? Ich hatte das Gefühl, als wäre ich überhaupt nicht anwesend, als wäre ihr alles scheißegal. Aber sobald eine ihrer Katzen maunzend um ihre Beine schlich, hob Mom sie hoch und gurrte, als hielte sie ein Baby in den Händen.«
    »Du willst mir doch nicht sagen, dass du auf die Katzen eifersüchtig bist?«
    »Es lag nicht an den Katzen«, sagte ich, »sondern daran,
dass sie nicht hier war. Ich erinnere mich, wie ich einmal im Haus herumgelaufen bin, da war ich gerade einmal, keine Ahnung, drei? Ich hab mir die Seele aus dem Leib gebrüllt, weil ich glaubte, allein zu Hause zu sein. Ich war zu Tode erschrocken. Da fand ich Mom, bequem auf dem Bett sitzend, eine Katze zu ihren Füßen und hastig schreibend, als hätte sie mich nicht weinen gehört. Ich zerrte an ihrem Stift und rief Mommy, lass das! Aber sie wollte nicht.«
    »Oder konnte nicht.«
    »Manchmal blieb ich wirklich allein zu Hause zurück, oder sie vergaß mich in der Stadt. Einmal bekam ich im Supermarkt einen Wutanfall, und sie ist einfach weggegangen. Ich bin schreiend umhergeirrt, bis ich sie endlich gefunden habe - sie starrte wie gebannt aus dem Schaufenster des Ladens. Ein anderes Mal, im selben Supermarkt, hat sie mich weinend im Einkaufswagen sitzen lassen und ist verschwunden. Wer weiß, was geschehen wäre, wenn ich mich entschlossen hätte, aus dem Wagen zu klettern. Letzten Endes hat mich ein anderer Kunde zur Kasse gebracht. Ein Verkäufer und ich haben Mom draußen auf einer Bank gefunden, weinend.«
    Val setzte sich auf die Matratze. »Das wusste ich nicht.«
    Ich warf die gefalteten Laken auf das zweite Bett und setzte mich neben meine Schwester. »Jedes einzelne Mal, wenn sie fortging, dachte ich, es sei für immer. Bis ich vielleicht sechs oder sieben war. Ich hatte eine von Grandmas Vasen mit rausgenommen, um für Mom Flieder zu pflücken - es war die wunderschöne blauweiße Vase. Ich bin gestolpert, habe sie fallen lassen und den Rand abgeschlagen. Als Mom sah, was ich getan habe, ist sie in Tränen ausgebrochen. Vermutlich war die Vase Grandmas Lieblingsstück. Mom stand eine Minute lang einfach nur da, zitternd, die Hände zu Fäusten
geballt, und dann ist sie die Auffahrt hinuntergelaufen, in Richtung der Blood Road, wie schon Hunderte Male zuvor, wenn ich etwas falsch gemacht habe. Ich folgte ihr

Weitere Kostenlose Bücher