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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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wichtig, an solche Dinge zu denken, um es überhaupt durch den Tag zu schaffen . Das muss doch etwas bedeuten.«
    »Aber was? Woran musste sie denken?«
    »An ihn?«
    »Oder einen Bibelvers. Vielleicht Psalmen, aus denen sie Trost schöpfte.«

    »Viele Briefe klingen, als hätte meine Großmutter auf Dinge geantwortet, die er geschrieben hat. Es muss also auch Briefe von ihm gegeben haben.«
    »Das stimmt. Dad hat mir gestern Abend erzählt, dass er zwischen ihnen den Boten gespielt hat.«
    »Hat sie die Briefe aufbewahrt?«
    »Mom behauptet, nie welche gefunden zu haben.«
    »Tja. In diesem Brief deiner Großmutter an Valentine spricht sie über deinen Großvater wie über ein Kind, für das sie beide verantwortlich sind. Sie und dein Großvater machen auf ihrer Farm einen Spaziergang und suchen mit der Wünschelrute nach einer guten Stelle für einen Brunnen. Sie schreibt: Du musst es nicht ständig wiederholen. Ich weiß, dass dieses Haus nie gebaut wird. Doch falls er dieses eine Mal tatsächlich glauben kann, dass er fähiger ist, als er es in Wirklichkeit ist, und er diesen Traum wirklich wahr werden lassen könnte, dann wäre es eine friedvolle Zeit für ihn und ebenso für mich. Meine Aufgabe ist nun, daran zu glauben, dass er dazu in der Lage ist, damit er es selbst glauben kann. «
    Ich nahm ihm den Brief aus der Hand. »Sie bemitleidet ihn.«
    »So wie du Ezra bemitleidest.«
    Ich sah zu ihm auf. »Ich weiß nicht, wie er ohne mich überleben könnte, wenn es das ist, was du meinst.«
    »Ja, aber wie wirst du überleben?«
    »Ich will in Jeremys Gegenwart nicht über Ezra sprechen.« Jude kniete sich vor Jeremy hin. »Hast du draußen das Kürbisfeld gesehen? Wie wär’s, wenn du den größten und tollsten Kürbis auf dem ganzen Feld suchst, und sobald er reif ist, werde ich dir helfen, daraus eine Halloween-Laterne zu basteln?«
    »Kürbisse!«

    Ich beobachtete vom Türrahmen des unfertigen Hauses aus, wie Jude den Stacheldrahtzaun hob, um Jeremy hindurchkriechen zu lassen, und ihn dann über den Acker zu der Stelle mit den wilden Kürbissen führte. Bei jedem ihrer Schritte erhoben sich Monarchfalter aus den knolligen Seidenpflanzen, und Jeremy sprang auf und ab und jagte den Schmetterlingen hinterher, die jedoch immer knapp außerhalb seiner Reichweite flatterten.
    Jude beugte sich über eine Seidenpflanze und zeigte Jeremy seinen Beutefang: einen Monarchfalter auf seinem Finger. Er kehrte mit dem Schmetterling zum unfertigen Haus zurück, aber der Falter flog davon, als er ihn mir entgegenstreckte. Judes Mund, der mich anlächelte. Ich machte einen Schritt auf ihn zu und küsste ihn, doch er erwiderte den Kuss nicht. Seine Bartstoppeln kitzelten meine Lippen. Ich wich zurück. »Es tut mir leid«, sagte ich.
    »Nein. Das ist schon in Ordnung. Du hast mich bloß überrascht.«
    »Ich kann einige der Dinge, die ich in dieser Woche getan habe selbst kaum glauben.«
    »Du meinst, herüberzukommen und mich zu besuchen.«
    »Ich fühle mich … ich weiß nicht so recht … als wäre ich besessen.«
    »Wie die Ameisen.«
    »Ameisen?«
    »Sie werden von einem Pilz gesteuert, der sich in ihr Gehirn frisst und sie zwingt, bis zur Spitze einer Pflanze zu klettern und sich dort selbst aufzuspießen - so kann der Pilz im Körper der Ameise wachsen und seine Sporen von hoch oben verbreiten.«
    Ich lachte. »Du hast nur Blödsinn im Kopf.«
    »Nein, die Geschichte ist wahr. Den Pilz gibt es wirklich!«
Er nahm meine Hand und führte mich wieder ins unfertige Haus, wo er mir mit den Fingern durchs Haar strich und dann sanft mein Kinn anhob, damit ich ihm in die Augen sehen musste. »Vor all den vielen Jahren habe ich zugelassen, dass du und ich auseinanderdriften«, sagte er. »Vielleicht kriege ich jetzt eine zweite Chance.« Er wartete einen Moment, als hoffte er auf eine Antwort, aber da ich nichts sagte, kam er zögerlich näher und küsste mich. Seine Hand auf meiner Hüfte. Sein Oberschenkel an meinem. Doch da hörte ich das Geräusch von rasselnden Schlüsseln in einer Hosentasche, ein Rascheln draußen im Gras. Ich trat zurück. »Jemand kommt.«
    Wir lauschten beide.
    »Ich habe nichts gehört.«
    »Ich habe Schlüssel gehört«, sagte ich.
    »Es ist nur Jeremy.«
    »Nein.«
    Ich wirbelte herum, schaute aus allen Fenstern des unfertigen Hauses, während das Rascheln im Gras lauter wurde, dann plötzlich erstarb. Ein Auge tauchte hinter einem Astloch auf. »Ich kann euch sehen!«, sang Jeremy. Das Auge

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