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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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bewegte sich zum nächsten Astloch. »Grandpa kann euch sehen!« Wiederum war das Klirren von Schlüsseln zu hören, und Schritte krachten durchs Gestrüpp.
    »Jeremy!«, schrie ich. »Jeremy, komm her!« Doch mein Sohn war die ganze Zeit über bei den tanzenden Monarchfaltern geblieben, hatte das Kürbisfeld gar nicht verlassen.
    »Was ist los?«, fragte Jude.
    »Hast du ihn nicht gesehen?«
    »Wen?«
    Ich lief auf der einen Seite ums Haus herum. »Hallo?«, rief ich. »Können wir Ihnen helfen?«
    Hinter der Hausecke wurde der Schatten eines Mannes
auf den Boden geworfen. Als ich näher kam, verschwand der Schatten im Gras. Ich bog um die Ecke, dann um die nächste, und war jedes Mal sicher, dass der Mann gleich vor mir stehen müsste - da öffnete sich genau vor mir ein Pfad in der Wiese, und ich hörte Schritte und das Rasseln von Schlüsseln in einer Hosentasche. Doch als Jude von der entgegengesetzten Seite des Hauses auf mich zukam, war kein Mensch außer uns dort.
    »Wo ist er hin?«, fragte ich atemlos.
    »Ich hab niemanden gesehen.«
    Ich warf einen Blick zum Haus meiner Eltern. »Könnte es Ezra gewesen sein?«
    Jude packte mich an den Schultern und drehte mich zu sich. »Katrine, hier war niemand!«
    Jeremy zeigte auf die Seite des Hauses, an der ich das Auge im Astloch gesehen hatte, bedeckte seine Augen mit beiden Händen und öffnete sie rasch wieder. »Guck, guck!«

18.
    ALS ICH DAS verkrüppelte Kalb von seiner Mutter trennte und die Auffahrt hinunter zu dem kleinen Pferch neben der Scheune trieb, donnerte eine Karawane von Militärfahrzeugen an der Farm vorbei in Richtung der Berge. Heute Morgen hatte das Radio gemeldet, dass eine Hundertschaft Soldaten der Canadian Forces herbeigerufen worden war, um beim Kampf gegen das Feuer zu helfen, das durch den Wind und das überall im Wald herumliegende, von Käfern befallene, tote Holz geschürt wurde. Wahrscheinlich waren die Truppen unterwegs zum Einsatzlager auf der Jefferson-Farm, die in der Nähe einer der Sägemühlen lag, direkt an der Straße, die hinauf in die Berge bis zum Feuerherd führte. Mit Kisten beladene Pick-ups wichen den Armeefahrzeugen aus, während sie in die entgegengesetzte Richtung fuhren.
    Als ich das Kalb in den Pferch sperrte, bog ein roter Ford-Pick-up mit einem angekoppelten Viehanhänger in unsere Auffahrt und parkte im Hof. Es war Onkel Dan. Er sah jünger aus als meine Mutter, obwohl er in Wirklichkeit einige Jahre älter war. Er führte immer noch seine eigene Molkerei, hatte jedoch in den letzten Jahren mehr und mehr Hilfsarbeiter eingestellt.

    »Kat!«, sagte er und umarmte mich. »Ist schon’ne Weile her, oder?«
    »Zwei Jahre. Vielen Dank für deine Hilfe.«
    Er zeigte auf die Wasserbomber, die mit lautem Dröhnen tief über unsere Köpfe hinwegflogen. »Großer Gott, dass du das aushältst! Der Krach macht meinen Labrador ganz verrückt. Wenn die Bomber auf ihrem Weg zum See über mein Haus donnern, versteckt er sich im Wandschrank. Hast du’s mitbekommen? Sarah Dalton hat im Garten ihrer Familie geheiratet, wie geplant. Es waren andauernd Flugzeuge und Helikopter zu hören, und die Sprinkleranlagen sind einfach angesprungen.« Er lachte. »Das Leben geht weiter.«
    »Das Leben hier wird wohl auch weitergehen. Es ist schon verrückt, Dad in dieses Chaos zu bringen, nicht wahr?« Ich nickte zu den Rauchschwaden und der Asche, die vom brennenden Wald auf uns herabrieselte, den Wasserbombern, die ihre Ladung über das Feuer kippten - das sich nun bereits mehr als die Hälfte des Berges hinuntergefressen hatte -, und die Forstwagen, die an uns vorbeiratterten.
    »Ist Gus in der Verfassung, Besuch zu empfangen?«
    »Eine Krankenschwester untersucht ihn gerade«, erwiderte ich. »Er hatte große Schmerzen, deshalb hat sie ihm eine höhere Dosis Morphium verordnet. Er redet nicht mehr viel, aber er kann dich immer noch hören, wenn du dich später zu ihm setzen und ein wenig mit ihm plaudern möchtest.« Ich deutete mit einem Kopfnicken auf das Kalb. »Es war ihm peinlich wegen des Kalbs, weil er sich nicht selbst darum kümmern konnte. Er wollte nicht, dass du es siehst.«
    »Das ist doch völliger Unsinn. Ich wünschte, ich wäre ihm in den letzten Jahren eine größere Hilfe gewesen.« Er sah sich im Hof um. »Hast du etwas, das ich als Tisch benutzen könnte, um mein Zeug draufzulegen?«

    »Sicher.« Gemeinsam trugen wir den Gartentisch von der Veranda hinüber zum Pferch. Bei jedem Schritt drehte sich der

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