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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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winkte er. Ich hob die Hand zum Gruß.
    »Kann ich mit dem Lego von dem Mann da spielen?«, fragte Jeremy. »Können wir zu ihm gehen?«
    Ich stand auf und reichte ihm die Hand. »Warum nicht? Dort gibt es etwas, das ich gerne finden würde. Hilfst du mir dabei?«
    Er nickte, und wir durchquerten den Hof zu dem Pfad, der zu Judes Haus führte. Ich warf einen kurzen, suchenden Blick in Richtung der Scheune. Doch sobald ich Ezra bemerkte, der uns von der Tür aus beobachtete, drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit der Scheune. Der Rauchgeruch in der Luft - wie ein Weihnachtsbaum, der nach den Feiertagen verbrannt wird.

17.
    MIT JEREMY AN der Hand erreichte ich Judes Werkstatt. Die Wände des Raums waren mit den Postern der vielen Töpfermärkte bedeckt, auf denen er im Laufe der Jahre seine Waren ausgestellt hatte. Alles war mit einer dicken Schicht Lehmstaub überzogen: die umgedrehten Gefäße und Regale, auf denen seine fertigen Werke standen, Judes Behälter mit Pinseln und Werkzeugen, der Fernseher und Videorekorder vor seiner Töpferscheibe. Das Regal mit den gestapelten Erinnerungsstücken, wahrscheinlich von Andys Kindheit: eine Thomas-Dampflokomotive, ein fernsteuerbarer Jeep, eine Babytasse aus Porzellan, die Jude zweifelsohne selbst getöpfert hatte, Flugzeuge, Hot-Wheels-Modellautos und eine schwarze Ouija-Alphabettafel mit geprägten roten Buchstaben.
    Jude stand mit dem Rücken zur Tür an einer seiner langen Werkbänke und tauchte den Sockel einer Tischlampe in einen Eimer mit dicker, cremig-weicher Glasur, deren Konsistenz und Farbe der von Buttermilch glich. Der Lampensockel war bereits einmal lasiert und zum Trocknen weggelegt worden. Dies hier war die letzte, farbgebende Glasur. Vor vielen Jahren hatte ich Jude häufig zugesehen, wie er die Farbe aufgemalt und den Pinsel mit dem Geschick eines japanischen
Kalligraphen geschwungen hatte. »Du benutzt keine Pinsel mehr?«, fragte ich.
    Er zuckte erschrocken zusammen und drehte sich dann grinsend um, bevor er die Unterseite des frisch lasierten Lampensockels mit einem Schwamm abwischte und zum Trocknen auf ein Abtropfgitter stellte. Er nahm eine Vase, wendete sie und tauchte sie ebenfalls in den Eimer. »Der Pinsel ist zu vorhersehbar. Alle meine Arbeiten sahen gleich aus. Mir gefallen die Zufallsergebnisse, die Überraschungen, die ich am Ende erhalte, wenn ich auf diese Art lasiere.«
    »Noch ein Raku-Brand heute Abend?«
    »Der letzte vor dem Töpfermarkt.« Er schob die Vase auf das Gitter und schnappte sich einen Lappen, mit dem er sich die Hände abwischte, um dann einen Klumpen Lehm aus der Rubbermaid-Plastiktonne zu fischen und ihn Jeremy zu geben.
    »Knete!«
    »Das ist Lehm«, erklärte ich Jeremy. »Ist das nicht ein tolles Zeug?«
    »Knete für Erwachsene«, sagte Jude und hob Jeremy auf einen Stuhl neben der Werkbank, damit er dort den Ton formen konnte.
    »Du bearbeitest den Ton immer noch mit der Hand?«, erkundigte ich mich. Vor Jahren hatte mir Jude gezeigt, wie man den Ton so weich bekam, dass er sich gut weiterverarbeiten ließ. Ich hatte ihn kräftig geschlagen, geschnitten und geklopft, bis mein ganzer Körper mit durchgerüttelt worden war, als hätte ich einen harten Brotteig geknetet. Meine Arme hatten noch tagelang geschmerzt.
    »Musste etwas tun, um in Form zu bleiben«, sagte er. »Bei all dem Sitzen vor der Töpferscheibe ist es schwer, nicht zuzunehmen.
« Er klopfte sich auf den Bauch. »Ich habe ein paar Pfund zugelegt.«
    Ich strich mit der Hand über meinen eigenen Bauch. »Haben wir das nicht alle?«
    »Du bist perfekt«, sagte er und unterstrich seine Worte, indem er mir die Hand drückte. »Perfekt.« Als ich wegblickte und zu Jeremy sah, ließ er meine Hand los und fragte mich: »Wie geht’s deinem Dad?«
    »Er hat heute kaum etwas gesagt.« Ich rieb mir den Nacken. »Gestern war er noch ziemlich gesprächig, aber er hat sich ganz plötzlich in sich selbst zurückgezogen. Val macht sich Sorgen, weil er unbedingt sterben möchte, bevor uns das Feuer aus dem Haus treibt. Sie sagt, sie habe das schon oft bei ihren Patienten erlebt. Sie geben sich einfach auf und sterben innerhalb weniger Tage.«
    »Es tut mir so leid, Katrine.« Er zeigte auf die Töpferscheibe. »Hast du gerade einen Moment Zeit? Warum setze ich Jeremy nicht einfach an die Scheibe, damit wir reden können?«
    »Eigentlich wollte ich fragen, ob ich mir einen Hammer ausleihen und ein bisschen im unfertigen Haus herumschnüffeln

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