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Im Tal der Schmetterlinge

Titel: Im Tal der Schmetterlinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Anderson-Dargatz
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zwang, die gesamte Milch zu trinken, die sie von seinen Kühen gestohlen hatten.«
    »Was meinst du damit? Sie haben die Milch von seinen Kühen gestohlen?«
    »Beth hat dir die Geschichte nie erzählt?« Onkel Dan lachte. »Dennis und Billy waren zwei Indianerjungen, die Dad für sich arbeiten ließ, beide etwa in meinem Alter. Eines Nachts beschlossen sie, früh aufzustehen und seine Kühe zu melken, bevor Dad die Chance hatte, das selbst zu tun, so dass er lediglich einen Haufen leerer Euter vorfand und sich erstaunt fragte, was zum Teufel mit seinen Tieren los ist. Du lieber Gott, all die Dinge, die sie angestellt haben, bloß um ihn zu ärgern.«
    »Billy und Dennis: War einer von ihnen der Hilfsarbeiter, auf den dein Vater geschossen hat?«
    Dan nickte und zeigte auf eines der Nebengebäude - die ehemalige Unterkunft für Hilfsarbeiter -, das allmählich verfiel. »Du kannst immer noch das Einschussloch sehen, wo die Kugel meines Vaters die Tür durchschlagen hat, Billy jedoch um Meilen verfehlte.« Er kratzte sich am Nacken. »Ja, ich vermute,
er hat geglaubt, dass sich Billy und Beth dort drin vergnügen.«
    »Hatten die beiden etwas miteinander?«
    Er lachte. »Das musst du schon deine Mutter fragen.«
    Ich warf einen Blick zur Küche, in der meine Mutter saß. »Vermutlich hat Billy daraufhin gekündigt.«
    »Beth hat ihn darum gebeten. Sie hatte Angst, was Dad Billy und ihr noch antun könnte. Also wurde Billy Soldat und ist stattdessen in den Niederlanden gefallen. Es war ein glücklicher Zufall für Gus, dass unser Vater das ganze Jahr über in der Irrenanstalt war, als er und Beth sich näherkamen. Sie haben geheiratet, bevor Dad heimgekehrt ist, damit er nichts dagegen unternehmen konnte. Mein Vater hätte jeden einzelnen von Beths Verehrern vertrieben.«
    Ich beobachtete meinen Onkel eine Weile, während er seine Fleischermesser wetzte. Eigentlich hatte ich geglaubt, meine Familie zu kennen, und dennoch taten sich jetzt Geschichten auf, die ich noch nie zuvor gehört hatte. Sie hier von Onkel Dan zu erfahren, vermittelte mir das Gefühl, ein Außenseiter zu sein, der nicht genau wusste, welchen Platz er in der Familie innehatte.
    »Aus den Akten und von den Dingen, die Mom mir erzählt hat, weiß ich, dass er eine Kriegsneurose und eine Gehirnverletzung hatte.«
    »Ja, ja, die Ärzte, zu denen man geschickt wird, verkomplizieren gerne alles, lassen dich über deine Gefühle reden und das ganze Zeug. Ich vermute, dass das, was mir nach meinem eigenen Krieg und meinem Vater nach seinem geschehen ist, nicht viel komplizierter ist als das, was mit meiner Hofkatze geschehen ist. Es war ein großtuerischer Kater, der umherstolzierte und die anderen Katzen terrorisiert hat. Dann wurde er vor unserem Haus von einem Auto angefahren. Also
brachte ich ihn in die Scheune, packte ihn in einen Käfig. Du weißt, wie Katzen sind. Sie besitzen unglaubliche Selbstheilungskräfte, wenn man sie in Ruhe lässt. Seine Knochen waren nach zwei Monaten geheilt, aber die Angst ging aus ihnen nie wieder raus. Er war kein Prahlhans mehr. Jetzt fährt er erschrocken zusammen, wenn ich mit der Schubkarre an ihm vorbeigehe. Eine solche Angst bleibt für immer in dir, wenn du keinen Weg findest, sie abzuschütteln.« Er blickte zu einem Helikopter hoch, der über unseren Köpfen hinwegflog. »Ich hab dir die Postkarte gezeigt, die Dad dem jungen deutschen Soldaten geklaut hat, nachdem er ihn getötet hat, nicht wahr? Da klebt immer noch der Schlamm des Schützengrabens drauf.«
    »Hat dir eure Mutter jemals verraten, weshalb sie bei eurem Vater geblieben ist?«
    »Nein, nein. Sie hat nie über ihre Gefühle gesprochen, nicht wie das Frauen heutzutage tun. Es wäre für alle Beteiligten allerdings das Beste gewesen, sie hätte ihn tatsächlich verlassen, als wir noch jung waren. Mindestens das Beste für meinen Vater. Wenn man eine Krücke zu lange benutzt, wird man sein Humpeln nie los. In vielerlei Hinsicht hatte er was von einem Kind. Mom machte es schlimmer, indem sie ihm alles abnahm. Oft dachte ich, es wäre für ihn besser gewesen, wenn sie zugelassen hätte, dass er in richtige Schwierigkeiten gerät. Nun, das ist er natürlich sowieso. Aber dann war sie stets zur Stelle, um alles aufzuräumen, die Dinge wieder geradezubiegen.«
    »Was hätte er wohl getan?«, fragte ich. »Falls sie ihn verlassen hätte?«
    »Keine Ahnung. Ich hätte mich mehr um sie kümmern müssen. Um ihn wahrscheinlich auch.« Dan blickte auf seine

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