Im Tal der Sehnsucht
sich nicht in der Lage, noch mehr zu erzählen. Ihr ging vor allem Boyds ungewöhnlicher Vorschlag durch den Kopf. Je länger sie darüber nachdachte, umso überzeugter war sie, dass er dabei hauptsächlich an seinen eigenen Vorteil dachte. Wenn sie sich nicht gerade stritten, kamen sie sehr gut miteinander aus. In absehbarer Zeit würde sie einen Erben oder eine Erbin zur Welt bringen und die Vernunftehe damit besiegeln. Viele Menschen handelten so – vor allem in der Welt der Reichen.
„Boyd erwartet dich morgen früh um Punkt zehn Uhr in der Halle.“ Leona stand mühsam auf. „Ihr werdet einen kleinen Spaziergang machen. Du möchtest wahrscheinlich nicht, dass er dir vor fremden Ohren Grobheiten sagt.“
Robbie strich sich das Haar zurück. „Boyd wird nie grob … auch nicht, wenn er wütend ist. Du hast ihm also alles gesagt? Warum auch nicht, schließlich bin ich der Schuldige. Ich hätte dich nicht vorschicken dürfen.“
„Ich habe ihm nichts gesagt“, erwiderte Leona, „aber Boyd kennt mich zu gut. Er weiß, dass ich den Schmuck niemals genommen hätte. Er vermutete gleich, dass du es warst. Er weiß auch von der schlechten Gesellschaft, in die du geraten bist.“
„Und was hat er vor?“ Robbie rührte sich nicht. Er sah sie nur an und wartete auf ihre Antwort – wie ein Angeklagter auf das Urteil.
„Er hält dich für hochgradig verwöhnt. Ich bin nach ernsthaftem Nachdenken zu demselben Schluss gekommen. Nimm nur deinen Smoking … er muss mindestens zweitausend Dollar gekostet haben. Dad unterstützt dich großzügig. Du wirst mit etwas Glück dein Examen machen und ins Familienunternehmen eintreten, wenn du das willst. Es sieht wirklich gut aus für dich. Deine persönlichen Probleme berühren mich natürlich. Wie könnte es anders sein? Ich habe sie zum Teil selbst. Es ist die alte Geschichte von der unsicheren Kindheit, aber wir sind älter geworden und können für vieles dankbar sein. Du musst endlich die Vergangenheit bewältigen, Robbie. Such deinen Vater, und stell ihn zur Rede. Die Semesterferien wären der richtige Zeitpunkt dafür. Vielleicht gerät Carlo sogar vor Freude aus dem Häuschen, wenn er dich wiedersieht.“
Robbie lachte bitter. „Ich werde ihn fragen, warum er mich niemals eingeladen hat. Aber etwas anderes ist viel wichtiger. Werde ich mich überhaupt frei bewegen können? Es war eine üble Sache, den Schmuck zu stehlen.“
„Noch übler wäre es gewesen, wenn du ihn getragen hättest“, versuchte Leona zu scherzen. „Ja, es war schlimm … zumal für einen Menschen mit so viel Verstand. Zum Glück hast du dein Vorhaben nicht zu Ende gebracht, das spricht für dich. Du warst in dem Augenblick nicht zurechnungsfähig.“ Sie ging zu ihm und schloss ihn tröstend in die Arme. Es war die alte Gewohnheit, ihn zu beschützen. „Natürlich wirst du morgen einiges Unangenehme zu hören bekommen. Das wissen wir beide.“
„Das habe ich mehr als verdient.“
„Wie auch immer … es wird nicht lustig. Halt den Kopf hoch. Boyd hat mir versprochen, dass die Angelegenheit damit erledigt ist.“
Er sah ihr in die Augen. „Für dich würde er alles tun. Hast du ihn darum gebeten?“
Leona zögerte nur kurz. „Um genau zu sein, hat er mich gebeten, seine Frau zu werden.“ Sie verschwieg, dass er sie weniger gebeten als informiert hatte. Das war keineswegs dasselbe.
Robbies bedrückte Miene hellte sich auf. Er legte Leona beide Arme um die Taille und schwenkte sie herum wie ein kleines Mädchen. Mit seiner Angst war es vorbei. „Das ist ja fantastisch!“, jubelte er. „Einfach fantastisch. Ich kenne keinen Mann, der besser zu dir passt.“
„Aber vielleicht passen andere Frauen besser zu ihm“, sagte sie atemlos, als er sie wieder abgesetzt hatte.
„Ausgeschlossen!“ Er lachte vor Begeisterung. „Ihr beide seid füreinander geschaffen. Insgeheim wunderte ich mich schon, dass Boyd so lange gezögert hat.“
„Wie bitte?“ Leona sah ihn fassungslos an.
„Es knistert doch förmlich zwischen euch. Ich bin nicht der Einzige, der das bemerkt hat.“
„Wer denn noch?“
„Jedenfalls mehr als einer.“ Robbie zuckte die Schultern. „Zum Beispiel die gute alte Geraldine. Sie hat scharfe Augen.“
„Genau wie ihr Bruder Rupert. Ich möchte nicht sein Gesicht sehen, wenn er davon hört.“
„Aber der alte Rupert hat dich gern.“
„Vielleicht mag er mich tatsächlich, allerdings bestimmt nicht als Schwiegertochter.“
„Schatz.“ Robbie gab sich
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