Im Tal der Sehnsucht
große Mühe, sie aufzuheitern. „Wenn Boyd dich will, bekommt er dich auch. Niemand wird seine Pläne durchkreuzen. Er ist drauf und dran, seinen mächtigen Vater zu überflügeln. Außerdem ist er viel, viel netter.“
„Dazu gehört nicht viel“, meinte Leona trocken.
Robbie sah ziemlich verstört aus, als er am nächsten Vormittag wieder auftauchte.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Leona besorgt und griff nach seiner Hand. Einen Moment lang schien die Geste Robbie zu trösten, dann holte er tief Luft und fasste sich.
„Es geht mir gut.“
„Dann möchte ich dich nicht sehen, wenn es dir schlecht geht.“ Leona zog ihn mit sich in den Garten, wobei sie die Terrasse absichtlich mied. Einige Gäste hatten sich dort versammelt, um das schöne Wetter zu genießen. Später sollte es wieder ein Lunchbuffet geben, und dann nahte mit dem Polospiel der Höhepunkt des Tages.
Robbie war ein ausgezeichneter Reiter und gehörte zu Boyds Team – ebenso wie Peter und dessen Cousin James.
Leona war es nicht recht, dass Robbie mitspielte. Er liebte die Schnelligkeit und sogar die Gefahr, die damit verbunden war, aber im Moment wirkte er viel zu durcheinander. Sie schlüpfte gleich wieder in ihre alte Beschützerrolle und verdächtigte Boyd, zu hart gewesen zu sein. Es war unlogisch, dass sie automatisch Robbies Partei ergriff, doch sie hatte es zu lange getan, um ihn jetzt einfach sich selbst zu überlassen. Um Boyd machte sie sich keine Sorgen. Der brauchte keinen Beschützer.
Als sie sich genügend weit vom Haus entfernt hatten, zog Leona ihren Bruder in einen Laubengang, der von prächtigen dorischen Säulen gebildet wurde. Dichte Ranken der weiß blühenden Alba, einer japanischen Glyzinienenart, ließen die strengen Säulen unter sich verschwinden. Am Ende des Gangs stand ein kleiner weißer Gitterpavillon im maurischen Stil, der von einer Kletterrose berankt war. Die pinkfarbenen Blüten leuchteten aus dem hellgrünen Blättergewirr hervor. Hier konnten sie ungestört sprechen.
Robbie setzte sich neben Leona und stützte den Kopf in beide Hände. „Ein Glück … es ist vorbei.“ Dankbar atmete er den süßen Duft der Rosen ein.
„Boyd ist zu hart mit dir ins Gericht gegangen“, ereiferte sich Leona sofort, die nicht von ihrer alten Rolle lassen konnte.
Robbie richtete sich auf und sah sie von der Seite an. Ihr Vorwurf schien ihn zu überraschen und zu beunruhigen. „Nicht härter als angemessen. Du darfst Boyd für nichts verantwortlich machen.“
„Wie kann ich das, wenn ich dich so vor mir sehe? Er hat dich offensichtlich nach Strich und Faden fertiggemacht. Wie willst du da heute Nachmittag spielen? Polo ist gefährlich und fordert den ganzen Mann.“
„Ich spiele auf jeden Fall. Ich muss mich nur erst beruhigen, und dabei wird ein guter Lunch helfen. Im Grunde fühle ich mich besser als seit Jahren. Verstehst du das nicht?
Ich habe gebeichtet und die Absolution erhalten. Boyd war überaus großzügig … viel mehr, als ich es verdiene. Er wird mir die Geldhaie vom Leib halten. Er meint, es sei genug in mich investiert worden, um den Erfolg zu garantieren. Er sprach auch von deiner Liebe und Loyalität mir gegenüber und hat mich damit zu Tränen gerührt. Ich schwöre dir, dass ich mich bessern werde. Ich beginne ein neues Leben. Du und Boyd … ihr sollt stolz auf mich sein. Ich habe dir Sorgen gemacht und dich ausgenutzt, das muss aufhören. Wir dürfen beide in mir nicht mehr den ‚kleinen Bruder‘ sehen.“
„Das hat Boyd gesagt, nicht wahr?“
„Stimmt es denn nicht? Du willst Boyd unbedingt einen Vorwurf machen, dabei ist er mein Retter. Ich dachte, du liebst ihn. Du hast gesagt, ihr würdet heiraten.“ Robbie fasste Leonas Arm. „Ich habe mit diesem plötzlichen Entschluss doch hoffentlich nichts zu tun?“
„Natürlich nicht.“ Sie wollte den Verdacht gar nicht erst aufkommen lassen. „Es ist nur … Ich habe einfach zu viele Jahre damit verbracht …“
„… eine Mauer zwischen euch zu errichten? Ich glaube, deine Liebe zu ihm erschreckt dich.“
„Liebe kann schrecklich sein.“ Sie nickte. „Wer liebt, ist so verletzbar. Man muss immer auf einen Verlust gefasst sein. Das Glück meiner Kindheit wurde durch Mums Tod zerstört. Dad war danach nicht mehr derselbe Mensch. Ich glaube, er hat sich zwingen müssen, noch einmal zu heiraten. Die Gesellschaft verlangte es.“
„Dann hätte er eine bessere Wahl treffen sollen“, stellte Robbie bitter fest und bewies
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