Im Tal der Sehnsucht
Diamanten aus der Welt zu schaffen?“
Es war furchtbar – Boyd hatte sofort den richtigen Verdacht. „Mit Robbie hat das nichts zu tun“, verteidigte sie ihren Bruder.
„Dann hast du sie gestohlen?“ Zweifel und Vorwurf hielten sich in seiner Stimme die Waage.
„Es war eine … momentane Bewusstseinstrübung. Ich wollte den Schmuck selbst einmal tragen und dann gleich wieder zurückbringen. Das habe ich eben versucht. Du hast es sicher nicht bemerkt, Jinty nahm ihn nach ihrem Konzert ab und legte ihn in die Vase.“
„Ah!“ Boyd dachte kurz darüber nach. „Erzähl bitte der Reihe nach. Wann bist du heruntergekommen, um den Schmuck zu holen? Du warst mit mir im Garten, und wir haben uns geküsst. Dann sagtest du gute Nacht und gingst nach oben in dein Zimmer. Ich sah dich mit Robbie auf der Treppe … deinem ‚kleinen Bruder‘.“
„Aber es ist die Wahrheit!“ Leona sah ihn ängstlich an. Wie groß und drohend er vor ihr stand!
„Nein, du tischst mir eine dumme Lüge auf. Warum bist du nicht zu mir gekommen? Dann wäre dir dies erspart geblieben. Es ist typisch für Robbie, dass er nicht den Mut hatte, die Tat zu gestehen.“
„Robbie hat nichts damit zu tun“, sagte sie noch einmal. Mit ihr würde man glimpflicher verfahren als mit ihrem Bruder.
„Hör endlich auf damit!“ Wütend funkelte er sie an, und sie fand, dass er furchterregend und göttlich zugleich aussah. Er hatte sein Jackett ausgezogen, trug aber noch die Weste. Die gelockerte schwarze Fliege hing lose über dem geschlossenen Hemd.
„Es kommt jemand!“ Leona fuhr erschrocken zusammen und starrte zur Tür.
Statt zu antworten, packte Boyd sie wie eine Puppe und drängte sie gegen das Fenster mit seinen dunkelgrünen, golddurchwirkten Vorhängen. „Küss mich“, befahl er, „und gib dir ein bisschen Mühe!“
Sie gehorchte, sie war seine willenlose Gefangene, überließ sich seinem Kuss – und erwiderte ihn, bis ihr fast die Sinne schwanden und sie nur noch seinen Namen flüstern konnte.
„Wenn das keine Überraschung ist!“ Jinty trat in den Salon – eine Jagdherrin, die ihre Beute gestellt hatte.
Leona brachte kein Wort heraus.
„Überraschung?“ Boyd blieb gelassen. „So groß kann sie eigentlich nicht sein, Jinty. Zwischen Leona und mir hat immer eine tiefe Beziehung bestanden.“
„Und was ist mit Chloe Compton?“ Jinty machte kein sehr freundliches Gesicht, und ihre Stimme klang feindselig. „Soviel ich weiß, sollt ihr bald heiraten.“
„Das mag Dads Plan sein, aber meiner ist es nicht. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen. Wusstest du das nicht? Ich liebe Chloe nicht mehr als – sagen wir – deine Schwester Tonya. Dabei fällt mir ein …“ Er griff in seine Hosentasche, ohne Leona loszulassen. „Du solltest so kostbare Erbstücke nicht irgendwo herumliegen lassen. Bist du deshalb heruntergekommen?“
Jinty errötete, als wäre sie bei einem schlimmen Streich ertappt worden. „Du hast meine Ohrringe?“
„Ich habe einen Teil des Familienschmucks“, verbesserte Boyd. „Er ist für meine zukünftige Frau bestimmt. Zum Glück habe ich bemerkt, welchen Platz du dir dafür ausgesucht hattest.“ Er streckte die Hand aus, und Jinty kam näher, um den Schmuck an sich zu nehmen. Ihr Gesicht war wie zu einer Maske verzerrt.
„Ich wäre dankbar, wenn du deinem Vater nichts erzählst“, sagte sie steif.
„Das würde mir nicht im Traum einfallen“, versicherte er. „Sei in Zukunft nur etwas vorsichtiger.“
Jinty nahm die Diamanten hastig an sich. „Wie blind man sein kann“, sagte sie auf dem Weg zur Tür. „Ich hatte von dir und Leona keine Ahnung.“
„Weil es nichts zu ahnen gab“, erwiderte Boyd. „Jedenfalls nicht bis zu diesem Wochenende. Wir kennen und schätzen sie als erfolgreiche Karrierefrau, und ich habe beschlossen, dass wir den Rest unseres Lebens zusammen verbringen.“
„Weiß dein Vater darüber Bescheid?“ Es fiel Jinty schwer zu sprechen. Sie brauchte offensichtlich Zeit, um den Schock zu überwinden.
„Noch nicht. Er war zu sehr damit beschäftigt, Chloe als Favoritin aufzubauen. Ich spreche mit ihm, wenn es so weit ist. Leona wird eine bezaubernde Braut sein.“
Jinty stürzte aus dem Salon, als wäre der Teufel hinter ihr her.
„Hat hier jeder den Verstand verloren?“, fragte Leona, als sie sicher sein konnte, dass Jinty wieder nach oben gegangen war.
„Ich jedenfalls nicht“, antwortete Boyd trocken. „Du solltest auch wieder hinaufgehen. Sag
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