Im Tal der Sehnsucht
damit, wie fern er seiner Mutter innerlich stand.
„Hat Boyd auch etwas über sich und mich gesagt?“, fragte Leona nach einer Weile.
„Nur, dass du mit der Ankündigung der Verlobung einverstanden bist, sobald er mit seinem Vater gesprochen hat.“
„Der nicht gerade überglücklich sein wird.“ Sie wurde ihre dunklen Ahnungen nicht los. Nichts verabscheute sie mehr, als Unfrieden zu stiften. Ruperts Pläne zu durchkreuzen war gefährlich und konnte schlimme Folgen für ihren Vater haben, der einen wichtigen Posten im Familienkonzern innehatte.
Wie immer konnte Robbie seiner Schwester den Kummer vom Gesicht ablesen. „Das wird Boyd völlig egal sein. Er liebt dich … wie oft muss ich das noch wiederholen. Du bist die einzige Frau auf der Welt für ihn. Ich wünschte mir eine Frau, die ich ebenso lieben könnte, wie er dich liebt. Weißt du denn gar nicht, wie glücklich du sein kannst?“
„Hat er gesagt, dass er mich liebt?“ Leona hegte nach wie vor ernste Zweifel an Boyds Motiven.
„Das ist gar nicht nötig. Hast du jemals über deine Liebe zu ihm gesprochen? Du hast eher versucht, ihm das Gegenteil zu beweisen. Dafür hat er sich fabelhaft verhalten. Er ließ dir Zeit, erwachsen zu werden und einen Beruf zu ergreifen. Dein Erfolg macht ihn stolz, wie uns alle. Wen kümmert da der alte Rupert? Ich glaube nicht, dass Boyd eine hohe Meinung von ihm hat. Schön, er ist sein Vater, aber Boyd vergisst nicht, wie schwer seine Mutter es hatte. Die wunderbare Alexa … sie war immer so gut zu mir. Und was tut der alte Rupert? Er heiratet die geldgierige Jinty. Wie er das fertigbringen konnte, wird mir ewig ein Rätsel bleiben.“
Leona verstand es ebenso wenig. „Für einen Zwanzigjährigen besitzt du erstaunlich viel Scharfblick“, sagte sie.
„Allerdings.“ Robbie sah in dem Kompliment mehr eine Bestätigung. „Wie konnte Alexa diesen Teufel heiraten? Sein Geld kann sie nicht gelockt haben, sie stammte doch selbst aus einer reichen, alteingesessenen Familie.“
„Rupert war – und ist immer noch – ein gut aussehender Mann, falls dir das entgangen ist“, bemerkte Leona. „Wenn Jinty ihn morgen verlassen würde …“
„Das tut sie nie! Mrs. Rupert Blanchard zu sein bedeutet ihr alles. Nur eines würde ihr noch besser gefallen: sich Lady Blanchard nennen zu dürfen.“
„In der englischen Seitenlinie gibt es eine Lady Blanchard“, erinnerte Leona ihn. „Ich wollte eigentlich nur sagen, dass Rupert ganz anders hätte wählen können. Nur wenige Frauen hätten ihm einen Korb gegeben … deutlich jüngere eingeschlossen.“
„Wegen des Geldes zu heiraten ist auch eine Form der Prostitution“, fand Robbie.
Sie schluckte. „So könnte man es wohl nennen.“
„Du würdest das nie tun.“ Er strahlte sie an. „Du und Boyd … ihr seid anders. Ihr heiratet aus Liebe. Ich könnte vor Freude tanzen!“ Er sprang auf und streckte die Hand aus. „Komm, lass uns zurückgehen. Ich sterbe vor Hunger.“
Die Poloplätze wurden das ganze Jahr über von den Gärtnern gepflegt, um die Spielflächen in gutem Zustand zu halten. Nach den mehr als willkommenen Frühlingsregen bot „Poloplatz eins“ – mit den umliegenden Hügeln und großen, Schatten spendenden Bäumen der schönste der drei Plätze – optimale Spielbedingungen.
Besucher von nah und fern hatten sich auf Kissen, Decken, Klappstühlen oder Kühlerhauben rings um die Spielfläche niedergelassen. Wer zu spät gekommen war, um sich einen der begehrten Schattenplätze zu sichern, hatte einen großen Gartenschirm mitgebracht, um vor der sengenden Sonne geschützt zu sein.
Jede Mannschaft bestand aus vier Spielern mit verschiedenfarbigen Trikots, jedes mit einer Zahl bedruckt. Robbie, der sich erstaunlich schnell erholt hatte, trug ein grünes Trikot mit der Nummer 1, was ihn als ersten Offensivspieler auswies. Peter, der als Verteidiger spielte, hatte das Trikot mit der Nummer 4, sein Cousin James das mit der Nummer 2.
Boyd, der Kapitän der Mannschaft, trug ein dunkelrotes Trikot, das seine Augen noch blauer erscheinen ließ. Als wichtigster Spieler mit der höchsten Schlagzahl hielt er die zentrale Position 3.
Vor Spielbeginn schlenderte Leona ein wenig umher und grüßte alte sportbegeisterte Bekannte. Sie war nicht die Einzige, die die vier Spieler des Blanchard-Teams in ihrer Ausrüstung bewunderte. Mit den engen weißen Hosen, den farbigen Trikots, den hohen Stiefeln, Knieschützern und Helmen wirkten sie wie echte Helden.
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