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Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition)

Titel: Im Tal der träumenden Götter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Lobato
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packten ihre Sachen zusammen. Erst jetzt fiel Josefa auf, dass Tomás schon ewig lange fort war.
    In einer Mischung aus Furcht und Zorn hieb sie dem Mann die Fäuste vor die Brust, riss sich los und rannte blindlings in die Richtung, in die Tomás verschwunden war. Ohne den Schutz der Arkade traf die Sonne sie mit ganzer Wucht und schien den Alkohol in ihrem Kopf noch einmal aufzurühren. Der Lärm der Menschenmasse stürmte auf sie ein, und plötzlich wusste sie nicht mehr, wohin sie sich wenden musste. War der Stand mit dem Brandy bei der Kathedrale gewesen oder auf der anderen Seite, wo die mit Fahnen behängte Fassade des Nationalpalastes aufragte? Verzweifelt kämpfte sie sich durchs Gemenge, musste einer Parade ausweichen und floh in eine Schneise, die sich jäh zu ihrer Rechten auftat. Eine Frau schrie auf, Josefa hörte den Hufschlag, doch ehe sie zurückweichen konnte, stolperte sie und schlug lang hin. Das Pferdewiehern und der entsetzte Ruf des Kutschers gellten ihr in den Ohren.
    Für ein paar gnädige Augenblicke verlor sie das Bewusstsein. Gleich darauf aber schreckte sie aus der Schwärze, weil jemand ihr reichlich unsanft auf die Wangen klapste. Sie lag auf dem Pflaster, mit dem Oberkörper in den Armen eines Mannes, der, um sie mit seinen Klapsen zu sich zu bringen, seine Handschuhe nicht abgezogen hatte. »Sind Sie in Ordnung?«, fragte er alles andere als freundlich oder gar besorgt. »Können Sie aufstehen?«
    Josefa war übel und schwindlig. Zwei Dinge gelangten dennoch durch die Nebel in ihrem Kopf und prägten sich ihr ein. Das eine war die Stimme des Mannes, vereint mit dem Wunsch, er möge trotz des rüden Tons weitersprechen, einfach nicht aufhören, einerlei, was er sagte. Seine Stimme war schön. Metallisch und glänzend, als ob man eine Stimme schleifen könnte. Sie musste wahrhaftig betrunken sein, um so absurden Unsinn zu denken.
    Das andere war sein Geruch. Er war nicht der Mann, vor dem sie geflohen war, das erkannte sie, noch ehe sie die Augen aufschlug. Mit dessen widerlichem Geruch hatte er nichts gemein. Der Duft des Fremden ließ sie an frisch aufgeschnittene Limonen, an Minze, das Harz von Nadelbäumen und noch an etwas anderes denken, für das sie keinen Namen kannte. So wie sie nicht aufhören wollte, die Stimme zu hören, wollte sie nicht aufhören, diesen betörenden, sauberen Duft einzusaugen.
    »Falls Sie es nicht bemerkt haben – ich rede mit Ihnen«, herrschte der Mann sie an. »Ist Ihnen nicht wohl, brauchen Sie einen Arzt?«
    Josefa musste mehrmals zwinkern, ehe sie endlich klar sah. Ihr Blick prallte geradezu in seinen, so dass sie erschrocken zurückfuhr. Seine Augen lagen unter dichten, aufgewölbten Wimpern und hatten die Farbe des Pinienhonigs, den Carmen im Herbst aus am Waldrand aufgestellten Waben presste. Josefa musste wirklich betrunken sein. Sie lag rücklings auf dem Pflaster eines öffentlichen Platzes, starrte einem fremden Mann in die Augen und glaubte dabei die Würze von Carmens Honig auf der Zunge zu schmecken.
    »Hören Sie, meinen Kutscher trifft keine Schuld. Sie sind ihm geradewegs vor die Pferde gelaufen und können von Glück sagen, dass er so schnell reagiert hat.«
    Endlich begriff sie, setzte die Teile zusammen. Der Mann mit den Honigaugen war der Besitzer der Kutsche, und er nahm an, sie werfe ihm etwas vor. »O nein, natürlich nicht«, stammelte sie hastig. »Es war allein meine Schuld.«
    »Allerdings«, versetzte er.
    »Es tut mir sehr leid. Haben Sie Dank, dass Sie mir geholfen haben.«
    »Mir blieb ja kaum etwas anderes übrig.«
    Josefa ertappte sich bei dem irrwitzigen Wunsch, dem Fremden den Hut abzunehmen, damit sie sein Haar im Ganzen betrachten konnte. Was sie davon sah, war schwarz, leicht gewellt, wie es bei Indios nie vorkommt, und so, als wäre es an diesem Morgen frisch geschnitten worden.
    »Ich habe übrigens noch anderes vor, als hier zu hocken und mich zum Narren zu machen.«
    Er machte sich nicht zum Narren. Dazu war er zu schön. Wer ihn ansah, musste stehen bleiben und denken: Ich beneide das Mädchen, das in seinen Armen auf dem Pflaster liegt.
    »Es tut mir sehr leid«, wiederholte Josefa und versuchte sich aufzurappeln. Kaum stand sie auf ihren Beinen, begann die Welt um sie zu schwanken. Ihr Kopf schmerzte höllisch, und ihr fiel ein, dass sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie nach Hause kommen sollte. »Bitte«, murmelte sie beinahe unhörbar, »wenn es Ihnen nicht allzu viel ausmacht … könnten Sie

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