Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
aus uns wird«, sagte ich, »aber jetzt fahren wir erst einmal zusammen weg. Im Herbst beginne ich mein Studium. Ich werde mir eine billigere Unterkunft suchen. Er wird sein Haus verkaufen. Und wir werden sehen, wie wir beide miteinander und mit den neuen Umständen zurechtkommen.«
Ich war keineswegs so vernünftig und kühl, wie ich mich gab, aber Garrett war der Letzte, dem ich meine wahren Gefühle offenbart hätte. Ich wusste, es konnte sein, dass Matthew und ich einander erneut verloren. Vanessas Schicksal war geklärt, aber auf seine jahrelangen Fragen hatte Matthew nun Antworten bekommen, die kaum zu ertragen waren, die schwer zu verarbeiten sein würden. Dass es ihm psychisch sehr schlecht ging, war nicht zu übersehen. Er hatte mir nichts von seinem Aufenthalt an dem Ort, an dem Vanessa gestorben war, erzählt, hatte nur gesagt, dass er tatsächlich dort gewesen war. Ich hatte sofort gespürt, dass ich nicht fragen und drängen durfte. Aber genau das bereitete mir Sorgen: Er kapselte sich ab. Er versuchte, die Dinge mit sich allein auszumachen. Das konnte funktionieren und ihn irgendwann seinen Frieden finden lassen. Es konnte ihn aber auch einfach nur noch weiter allen Menschen und vor allem mir entfremden.
»Er ist schwer traumatisiert«, sagte Garrett, »und wahrscheinlich auf absehbare Zeit kaum beziehungsfähig.«
»Garrett«, sagte ich mit Nachdruck, »das ist mein Problem. Nicht deines .«
Er hob beschwichtigend die Hände. »Schon gut!«
Wir tranken unseren Whisky. Ich genoss das Gefühl, das sich langsam in mir ausbreitete: Alles verschwamm ein wenig, die Gedanken wurden unschärfer, die Probleme rückten ein Stück in den Hintergrund. Zum Glück, denn so vieles bedrängte mich, vor allem auch das Schicksal von Alexias Kindern. Vier Kinder, deren Mutter tot war, deren Vater für viele Jahre im Gefängnis sitzen würde. Soweit ich wusste, gab es keine anderen Angehörigen, also würden sie in staatliche Fürsorge kommen. Das bedeutete ein Leben in einem Heim; wenn sie Glück hatten, die Aufnahme in eine – hoffentlich liebevolle – Pflegefamilie.
Ken war am zweiten Tag nach seiner Flucht verhaftet worden. In Weymouth hatte er versucht, auf die Fähre nach Guernsey zu kommen, von dort wollte er weiter nach Frankreich. Er ließ sich widerstandslos festnehmen und saß nun in Untersuchungshaft. Er musste mit einer Verurteilung zu mindestens fünfzehn Jahren Gefängnis rechnen, vielleicht würde er bei guter Führung etwas eher entlassen werden. Bei dem Gedanken, dass Alexias Mörder und mein Peiniger schwer bestraft werden würde, konnte ich keine Genugtuung empfinden. Dafür war es zu schrecklich und zu quälend, was aus dieser zumindest scheinbar einst glücklichen Familie geworden war.
»Tja«, sagte Garrett, »dann werde ich also erst einmal nach Brighton zurückkehren. Wir bleiben aber in Kontakt, ja?«
»Natürlich«, versicherte ich.
Matthew kam aus dem Schlafzimmer. »Das war Detective Inspector Morgan. Sie haben Alexia gefunden.«
Ich musste schlucken.
»In dem Steinbruch?«, fragte ich.
Er nickte. »Ken konnte ja nur sehr vage Angaben über den Ort machen, aber gestern Abend haben sie sie endlich gefunden. Es war alles so, wie Ken es beschrieben hatte.«
»Auf Alexia«, sagte Garrett und hob sein Glas.
Alexia. Meine beste Freundin. Ich würde immer so an sie denken: als an eine Freundin. Auch wenn Kens Behauptung womöglich stimmte und sie mich am Ende gehasst hatte. Alexia war am Leben zerbrochen. Vielleicht vor allem an den Anforderungen, die sie an sich selbst stellte.
»Gibt es etwas Neues von Ryan Lee?«, fragte ich.
Matthew schüttelte den Kopf. »Er ist immer noch im Krankenhaus. Kommt aber wieder auf die Beine. Inspector Morgan lässt es mich rechtzeitig wissen, wann der Prozess gegen ihn beginnt.«
Matthew wollte dem Prozess unbedingt beiwohnen. Er wollte Lee sehen. Er wollte hören, was er zu sagen hatte. Ich konnte das verstehen, aber es würde erneut eine schwere Zeit werden.
Garrett schenkte sich noch einmal nach und leerte schwungvoll das zweite Glas. »Also, ich breche dann auf!«, verkündete er. Natürlich hatte er eindeutig zu viel getrunken, um Auto zu fahren, aber ich kannte ihn: Er würde es trotzdem tun.
»Du solltest nicht fahren«, sagte ich dennoch pflichtschuldig, aber er lachte nur. Seitdem er offiziell ein Held war, schien er sich noch weniger angreifbar zu fühlen als vorher.
»Und ihr beide zieht euch also dann morgen von der Welt zurück?«,
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