Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
Eindruck, den du hattest?«
»Ja. Sie fanden das interessant.«
Ganz sicher fanden sie das, dachte Ryan. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, aber er sagte sich, dass vielleicht die Phantasie mit ihm durchging.
Sollte das alles mit ihm zu tun haben? War es Zufall, dass Debbie an dem Tag überfallen wurde, an dem er aus dem Gefängnis entlassen wurde?
Er ging hinüber in die Küche, in der es nicht viel besser aussah als im Wohnzimmer. Einen Moment lang stand er fast hilflos vor all den halb leer getrunkenen Wassergläsern, den herumliegenden Geschirrtüchern, einer geöffneten und irgendwie schlecht riechenden Konservendose, deren Inhalt Debbie sich wohl in einem Anflug von Hunger hatte zubereiten wollen, die sie dann jedoch, wahrscheinlich von Übelkeit geplagt, hatte stehen lassen. Die Küche sah so schrecklich aus wie Debbies Gesicht. Ryan fragte sich, wie viel von der alten Debbie, wenn etwas Zeit vergangen war, noch übrig sein würde.
Er machte sich an die Arbeit, entsorgte das vergammelte Essen, räumte das Geschirr in die Spülmaschine, wischte die Arbeitsflächen mit einem Lappen sauber. Er entdeckte eine Konservendose mit Tomatensuppe, die er heiß machte, dazu schnitt er Weißbrot ab und toastete es. Ein seltsamer Rollentausch, fand er. Früher war er der Chaot gewesen, hinter dem Debbie schimpfend herräumte. Früher hatte Debbie darauf bestanden, richtige Mahlzeiten zu kochen, während es ihm nichts ausgemacht hätte, monatelang ausschließlich von Burger King zu leben. Jetzt sorgte er plötzlich für Ordnung und überlegte, was er tun konnte, um Debbie ein wenig Kraft zu geben. Und die ganze Zeit nagte etwas in seinem Hinterkopf: die Frage, ob der Überfall wirklich Debbie gegolten hatte. Oder ob er nicht eine Botschaft an ihn, Ryan, war.
Ihm war natürlich klar, dass Damon ihn nicht in Ruhe lassen würde. Mit dem Tag der Entlassung hatte er gewusst, dass sich sein Peiniger wieder mit ihm in Verbindung setzen würde. Damon verfügte über ein gigantisches Netz an Kontakten, daher wusste er mit Sicherheit über Ryans vorgezogene Haftentlassung Bescheid. Wahrscheinlich wusste er auch, dass er in Pembroke Dock wohnte, und kannte Noras Adresse. Damon wollte seine zwanzigtausend Pfund, und da er zudem gnadenlos und willkürlich auf bestehende Schulden Zinsen anzuhäufen pflegte, stand zu befürchten, dass der Betrag während Ryans Zeit im Gefängnis nicht unerheblich angewachsen war. Ryan hatte während der ganzen Woche das Problem Damon zu verdrängen versucht, aber ihm ging jetzt auf, dass er eigentlich die ganze Zeit über auf ein Lebenszeichen seines Feindes gewartet hatte. Denn so bezeichnete er ihn inzwischen im Stillen für sich: als den Feind. Damon und seine grausamen Einschüchterungsmethoden waren es gewesen, die Ryan im August 2009 in die furchtbare Geschichte mit …
Er erstarrte, kaum dass sein Gehirn drohte, den Namen seines Opfers zu denken. Also, Damon hatte ihn in die Geschichte getrieben und war damit schuld an Ryans Alpträumen und Ängsten. Es würde durchaus zu Damon passen, Ryans einstige Lebensgefährtin von seinen Leuten vergewaltigen zu lassen, um ihm klarzumachen, dass ernsthafte Probleme auf ihn zukamen, wenn er nicht rasch zahlte.
Kann Zufall sein, dachte Ryan. Es muss nichts mit mir zu tun haben. Vielleicht waren das einfach zwei Kriminelle, die sich am Hafen herumtrieben, um irgendjemanden zu überfallen, und Debbie hatte das Pech, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein.
Er stellte zwei Teller mit Suppe und zwei Gläser mit Mineralwasser auf ein Tablett und trug alles hinüber ins Wohnzimmer. Debbie stand am Fenster. Sie sah so elend aus, dass es ihm fast das Herz zerschnitt. Dazu die Verletzungen in ihrem Gesicht …
Verdammt, Damon, wenn du das warst, mache ich dich fertig, dachte er voller Hass und Wut und wusste doch gleichzeitig, dass es nie so weit kommen würde. Niemand machte Damon fertig. Nicht einmal die Polizei. Es gab Leute, die behaupteten, dass Damon auch gute Kontakte in politischen Kreisen hatte. Er schien unangreifbar zu sein.
Ryan deckte den Tisch. »Komm, Debbie, du musst etwas essen. Du brauchst Kraft!«
Sie humpelte zum Tisch hinüber und setzte sich, schüttelte dann aber den Kopf, als sie die Suppe sah.
»Ich kann nicht, Ryan. Mir wird sofort schlecht.«
»Du hast wahrscheinlich seit Tagen nichts Richtiges mehr gegessen, deshalb wird dir schlecht. Komm, bitte!«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Sie haben auch im Krankenhaus kaum
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