Im Tal des Fuchses: Roman (German Edition)
monotoner Stimme berichtete sie von ihrem Kneipenbesuch, von Glen, der heftig mit ihr flirtete, sodass es schließlich ziemlich spät war, als sie aufbrach. Allein, obwohl jener Glen angeboten hatte, mitzukommen.
»Aber ich wollte nicht mit ihm ins Bett, weißt du. Ich wollte gar nichts von ihm. Er war ein kleiner verheirateter Spießer, der ein Abenteuer suchte.«
»Debbie, natürlich wolltest du nichts von ihm. Natürlich.«
Sie erzählte von dem Überfall der beiden Männer, deren Gesichter sie nicht hatte sehen können, weil sie Strümpfe darübertrugen. »So richtig mit Augenschlitzen darin. Absolut furchtbar.«
»Dann haben die sich schon in böser Absicht dort herumgetrieben«, meinte Ryan, »denn eine Strumpfmaske hat man ja nicht einfach so schnell im Bedarfsfall zur Hand.«
»Das meint die Polizei auch«, sagte Debbie. »Ich bin ewig vernommen worden, und sie meinen, die Typen könnten es gezielt auf mich abgesehen haben. Das würde bedeuten, dass sie vielleicht aus meinem Umfeld stammen. Aber …«, sie hob hilflos die Schultern, »ich kann der Polizei gar nicht helfen, verstehst du? Ich kenne niemanden, der so etwas tun würde. Und ich habe keine Ahnung, warum mich jemand als Opfer auserkoren haben sollte. Außerdem wusste niemand, dass ich an diesem Abend dort im Pub sein würde. Es war ein völlig spontaner Entschluss.«
»Dieser Kerl, der dich angemacht hat …?«
»Glen? Nie im Leben. Außerdem hat er mich dann gerettet. Er war mir gefolgt. Zum Glück. Ich lag verletzt und völlig bewegungslos dort auf dem Boden, es war kalt, ich blutete … Ich kam nicht an mein Handy ran, und ich dachte, ich würde sterben …« Sie schluckte. Sie hätte fast wieder zu weinen begonnen, schaffte es aber, die Tränen abzuwehren. Dann schien ihr plötzlich aufzugehen, wie seltsam es war, dass Ryan vor ihr saß.
»Du bist draußen?«, fragte sie überrascht.
»Ja. Seit Montag. Vorzeitig. Wegen guter Führung.«
»Wo wohnst du?«
Er zögerte, entschied sich aber für die Wahrheit. »Bei einer Frau. Drüben in Pembroke Dock. Sie hat mir ins Gefängnis geschrieben, wir haben uns angefreundet, und dann hat sie angeboten, dass ich bei ihr wohnen kann.«
»Ich verstehe.«
»Nein, du verstehst nicht. Ich habe nichts mit ihr. Aber ich wusste nicht, wohin ich sonst hätte gehen sollen. Und sie ist okay. Ich habe sogar einen Job.«
Zum ersten Mal, seitdem sie ihm geöffnet hatte, lächelte Debbie. Ein verhaltenes, zaghaftes Lächeln, Lichtjahre von dem breiten Strahlen entfernt, das Ryan kannte. »Echt? Ryan kommt im bürgerlichen Leben an? Endgültig diesmal?«
»Warum nicht?«
»Ja, warum nicht?« Sie sagte das ohne Zynismus. »Du wirst auch älter, Ryan. Und reifer.«
»Ich will nie wieder ins Gefängnis, Debbie. Ich werde alles tun, damit das nicht passiert.« Er sah sich in dem chaotischen Zimmer um, stand dann entschlossen auf. »Hör zu, ich mache dir jetzt erst einmal etwas zu essen. Hast du irgendwelche Vorräte in der Küche?«
»Ich glaube schon. Ich hatte nur keine Kraft …« Sie wies auf den Tisch, wo der einsame, halb volle Suppenteller stand. »Die Suppe hat mir die Polizistin gemacht, als sie hier war. Ich bin gestern auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus gekommen, weißt du. Sie ist eine nette Frau. Sie will mir wirklich helfen. Aber ich glaube nicht, dass es mir besser geht, wenn die Kerle geschnappt werden. Das ändert nicht wirklich etwas. An dem, was geschehen ist.«
»Aber es verschafft dir ein wenig Genugtuung. Die müssen bezahlen für das, was sie dir angetan haben.«
»Es war so seltsam.« Ihre Stimme wurde wieder monoton wie zuvor, als sie ihm den Ablauf der Tat schilderte. »Ich hatte dauernd den Eindruck … also, so verrückt das klingt, ich hatte den Eindruck, dass es den beiden nicht um Sex ging. Das waren keine echten Triebtäter. Sie … waren so unbeteiligt. Es ging ihnen nicht darum, ihren Sexualtrieb oder irgendwelche Unterwerfungsphantasien zu befriedigen. Mir kam es so vor, als erledigten sie einen Auftrag. Professionell und zuverlässig. Dabei eiskalt bis ins Innerste. Wenn sie den Auftrag gehabt hätten, einen Container auf ein Schiff zu laden, hätten sie das ebenso gewissenhaft und emotionslos getan, wie sie mich vergewaltigt und halb tot geschlagen haben. Es war … Ach«, sie stand mühsam auf, »vielleicht bilde ich mir das auch nur ein. Vielleicht weiß ich gar nicht mehr, was wirklich passiert ist.«
»Hast du das auch der Polizei erzählt? Diesen …
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