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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Theorien reichten von nicht bezahlter Mitgift, was wahrscheinlich war, über Schmuggel, auch dies lag im Bereich des Möglichen, da der Mann die Strecke Patna–Kathmandu mit Sicherheit regelmäßig fuhr, bis hin zu Unfallflucht, die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten, wenn sie den Fahrstil des Mannes in Betracht zogen. Doch so laut sie auch keiften und spekulierten, es änderte nichts an der Tatsache, dass sie gestrandet waren, denn bis die Polizisten den Fahrer wieder herausrückten, konnten Tage vergehen.
    Nach zwei Stunden des Wartens auf einen Ersatz für den abhandengekommenen Busfahrer, der natürlich nicht kam, kletterten die ersten Passagiere, unter ihnen Kim, auf das Busdach, zerrten ihr Gepäck herunter und winkten vorbeifahrenden Lastwagen und Bussen. Hin und wieder hielt ein mitleidiger Fernfahrer und quetschte so viele Menschen wie möglich in seine Fahrerkabine. Kim hatte Glück im Unglück und erwischte einen freundlichen Mann, der mit einer Ladung Taschenlampen »made in India« auf dem Weg in Nepals Hauptstadt war. Die Freude währte nur kurz: Dreißig Kilometer weiter gab das Getriebe des Lastwagens mit einem finalen Kreischen den Geist auf.
     
    Achims Wind- und Wetterprognose erwies sich als zuverlässig. Als Anna früh am nächsten Morgen vor die Tür ihres Hotels trat, wehte lediglich eine leichte Brise durch Jomsoms Hauptstraße. Die Träger hatten sich bereits versammelt und sortierten unter Achims Aufsicht das umfangreiche Gepäck. Achim hatte mehrere Zelte, Geschirr, Decken, Matten und Lebensmittel aus Kathmandu mitgeführt, da er das Campen einer Übernachtung in den Gast- und Teehäusern der Region vorzog, was Anna erstaunte. Zumindest die Unterkunft in Jomsom fand sie den Umständen entsprechend komfortabel, ein einfaches Bett mit einer dicken, in saubere Wäsche gehüllten Decke gehörte ebenso zur Einrichtung ihres Zimmers wie ein Schränkchen und ein Teppich. Die Gemeinschaftstoilette war weniger angenehm und eine Dusche nicht vorhanden, aber da Anna mit nichts anderem gerechnet hatte, war sie auch nicht enttäuscht.
    Sie reckte sich und blickte in den wolkenlosen Himmel. Der Tag versprach schön zu werden, und die Luft war so klar, dass sie jedes Detail des hohen Schneebergs Nilgiri im Südosten erkennen konnte. Der Morgen versöhnte Anna mit Jomsom, das ihr jetzt ungleich freundlicher erschien. Am gestrigen Nachmittag hatte der heftige Wind Mensch und Tier mit fliegendem Sand und kleinen Steinchen gepeinigt und jeden Spaziergang in einen Kraftakt verwandelt. Anna begriff, warum die Häuser wie Festungen wirkten, warum die Fenster so winzig und die Mauern so dick waren.
    Ein vielstimmiges Blöken und Meckern kündigte eine Herde an, und tatsächlich bogen im nächsten Moment hundert oder mehr Schafe und Ziegen um die Straßenecke, überfluteten den Weg, erschraken vor nichts und allem, verwirrten sich zu Knäueln aus Haar und Hufen, Hörnern und Ohren und Schwänzen, bis einer der Hirten einen Stein aufhob und ihn gezielt einem der Tiere auf den Hintern pfefferte. Erschrocken machte das Böckchen einen ausgewachsenen Bocksprung, die anderen stoben auseinander und verkeilten sich wenige Augenblicke später erneut mit ihren Artgenossen. Anna liefen Lachtränen die Wangen hinunter, als sie die Hirten bei ihren Bemühungen beobachtete, die Herde wieder in Marsch zu setzen. Sie stieg die Treppe zur Straße hinab, um eine der kleinen Ziegen zu streicheln. Eine schlechte Idee, denn sofort brach eine Panik aus, die Anna nicht nur strafende Blicke von den Hirten, sondern auch ein Stirnrunzeln von Achim eintrug.
    Anna zuckte verlegen die Schultern und stellte sich neben Achim. »Entschuldigung«, sagte sie, noch immer lachend. »Dass die Viecher aber auch so schreckhaft sind!«
    »Sie haben allen Grund dazu. Für Tiere wie diese lauert der Schrecken hinter jeder Ecke. Du würdest auch schreckhaft sein, wenn du nicht wüsstest, was am Ende des Weges auf dich wartet.«
    Anna verging das Lachen. »Meinst du, sie werden geschlachtet?«
    Achim legte seine Hand auf Annas Schulter und drückte sie kurz. »Ich wollte dir nicht den Morgen verderben. Nein, du brauchst dich nicht zu sorgen, die Menschen hier oben töten keine Tiere. Wie sieht es aus«, wechselte er das Thema, »hast du schon gefrühstückt?«
    Eine Stunde später verließ die auf acht Personen angewachsene Gruppe Jomsom mit seinen blattlosen Bäumen und grauen Häusern. Am Ende des Dorfes passierten sie Felder, auf denen lediglich

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