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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Bitte!«
    Irritiert kam Ramesh der Bitte nach, schrieb die Adresse auf einen Zettel und reichte ihn der Frau, die ihn sofort an den Mann weitergab. »Ist es die Adresse, die der Herr der Vögel uns genannt hat?«, fragte sie.
    Der Mann nickte unglücklich. »Vor fünf Tagen. Das war der Abend, an dem wir den Sadhu gefunden haben. Komm, Tara. Auf dem Weg zum Haus können wir überlegen, was wir unternehmen.«
    Bevor Ramesh eine weitere Frage stellen konnte, hatten sie die Lodge schon wieder verlassen. Kopfschüttelnd umrundete er seinen Tresen und stellte sich in die Tür. Er sah gerade noch, wie das ungleiche Paar auf die Freakstreet bog, einen großen Berghund im Gefolge, der ihm zuvor nicht aufgefallen war.
    Ramesh stand noch immer in der Tür, als wenige Minuten später ein Auto in die Gasse bog und direkt vor ihm hielt. Ein westliches Paar kletterte aus dem Fond und sah skeptisch die Fassade der Annapurna Lodge hinauf. Die beiden sprachen kurz miteinander, dann stiegen sie wieder in den Wagen, ohne Ramesh eines Blickes gewürdigt zu haben. Dann eben nicht, dachte er, auf unhöfliche Gäste können wir gut verzichten. Er wollte sich gerade umdrehen und hinter seinen Tresen zurückkehren, als zwei weitere Männer dem Wagen entstiegen, zum Kofferraum gingen, eine kleine Reisetasche herausnahmen und sich dann herzlich voneinander verabschiedeten. Sobald der Wagen außer Sicht war, wandte sich der Mann an Ramesh.
    »Namaste. Können Sie mir verraten, ob Ihr Hotel das einzige in der Stadt mit dem Namen Annapurna Lodge ist?«, fragte er in einem gutverständlichen Gemisch aus Nepalesisch und Hindi.
    Ramesh nickte. »Es gibt das Hotel de L’Annapurna, das Annapurna Guesthouse, aber nur eine Annapurna Lodge. Suchen Sie ein Zimmer?«
    »Das auch. Vorrangig suche ich aber Anna Siefken. Ist sie in ihrem Zimmer?«
     
    Kim bemerkte das Paar mit dem Hund sofort. Sie lehnten gegen eine gemauerte Tischtennisplatte und redeten aufeinander ein, ohne den Vordereingang des Hauses gegenüber aus den Augen zu lassen. Kim erkannte das Haus als jenes, zu dem der verwirrte Rezeptionist der Annapurna Lodge ihn geschickt hatte. Er zögerte keinen Moment und ging direkt auf die beiden zu.
    »Namaste, mein Name ist Kimball Dashgupta«, stellte er sich ohne Umschweife vor. »Und wer sind Sie? Was haben Sie mit meiner Freundin zu schaffen? Warum beobachten Sie das Haus?«
    Die beiden erschraken, wie nur jemand erschrecken kann, der Verbotenes tut. Kim wurde unbehaglich zumute. Diese beiden wirkten nicht, als hätten sie Böses im Sinn, sondern verängstigt wie Mäuse im Angesicht der Katze.
    Der Mann fing sich als Erster. »Ihre Freundin, sagen Sie? Anna ist Ihre Freundin?«, fragte er ungläubig.
    »Allerdings.«
    »Warum haben Sie dann nicht verhindert, dass sie mit ihm geht?«
    Was ist hier los?, fragte sich Kim mit zunehmender Beklommenheit. »Ich bin erst seit einer Stunde in der Stadt. Ich wollte sie überraschen.«
    Der Mann schluckte schwer. »Sie sind zu spät gekommen. Sie ist fort.«
    »Fort?« Kim zuckte vom schrillen Ton seiner eigenen Stimme zusammen und versuchte es noch einmal ruhiger: »Was meinen Sie mit ›fort‹?«
    »Wir haben es gerade eben von einer Nachbarin erfahren. Ihre Freundin ist gestern Morgen mit dem Besitzer dieses Hauses zu einer Bergtour aufgebrochen«, sagte er tonlos. »Das ist schlimm.«
    »Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Anna ist mit einem Europäer unterwegs, der sich gut im Land auskennt, zumindest hat der Mann aus der Lodge es behauptet. Was ist daran so furchtbar, dass Sie vor Angst schlottern?«
    »Nein, Sie verstehen tatsächlich überhaupt nichts«, warf die Frau heftig ein. »Sie ist mit einem Dämon in die Berge gegangen!«
    Kim Unsicherheit wich Ärger. »Einem Dämon?«, fragte er ungläubig. »Sie haben eine blühende Phantasie. Aber wenn Sie schon so genau über den Bewohner dieses Hauses Bescheid zu wissen glauben, können Sie mir vielleicht verraten, wie er heißt. Der Rezeptionist konnte sich leider nicht erinnern.«
    Die junge Frau zitterte mittlerweile am ganzen Leib. »Akkim«, sagte sie schließlich kaum hörbar, als ob sie befürchtete, allein das Aussprechen des Namens könne ihren Dämon heraufbeschwören. »Er heißt Akkim Bendig.«
     
    Anna bemerkte das Gewehr bei ihrer ersten Rast. Der kräftige Träger hatte die Waffe unter einer Decke verborgen, die ihm beim Herumwühlen in seiner Kiepe verrutschte. Unbehaglich starrte Anna auf den abgenutzten Kolben und den Abzug.

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