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Im Tal des Schneeleoparden

Im Tal des Schneeleoparden

Titel: Im Tal des Schneeleoparden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffanie Burow
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Vergeblich versuchte er, zu ihr durchzudringen. Erst eine Ohrfeige brachte sie wieder zur Besinnung. Sie klammerte sich an ihn.
    »Er ist nicht tot, Kanchhi.«
    »Was ist dann mit ihm?« Dipendu war ganz nahe an seinen Ältesten herangetreten. »Was verschweigst du uns?«
    »Er ist verletzt. Angeschossen. Aber er hat Glück gehabt, und es hat ihn nur am rechten Oberarm erwischt. Ein vertrauenswürdiger Arzt hat den Arm versorgt und meinte, Biraj könne ihn vielleicht in ein paar Monaten wieder gebrauchen.«
    »Glück gehabt?«, fragte Dipendu ungläubig. »Er kann ihn vielleicht wieder gebrauchen? Vielleicht?«
    Bahadur wiegte unglücklich den Kopf hin und her und widmete sich erneut dem Lehm zwischen den Steinen, bis sein Vater ihn packte und schüttelte.
    »Er wird nicht mehr auf den Feldern arbeiten können!«, schrie er. »Kein Vater wird ihm seine Tochter anvertrauen. Einem Krüppel, der sich nicht selbst ernähren kann.«
    »Vater! Beruhige dich! Er wird wieder gesund werden. Stell dir vor, er wäre in den Bauch getroffen worden.«
    Dipendu ließ seinen Sohn los und trat einen Schritt zurück. Seine Wut war so schnell verraucht, wie sie ihn ergriffen hatte. »Das ist es ja. Genau das stelle ich mir vor. Jeden Tag, jeden Abend vorm Einschlafen«, flüsterte er. »Ich habe Angst um euch. Ich will nicht noch ein Kind verlieren.« Dann drehte er sich abrupt um und stapfte auf das kleine Haus zu. Geduckt schlüpfte er durch eine der drei Türen. Das zuvor aus dem Inneren des Hauses gedrungene Stimmengemurmel verstummte für einen Moment, um dann umso lauter wieder einzusetzen. Kurz darauf zündete jemand eine Kerze an. Ein schwacher Lichtschein quoll in den Hof und beleuchtete die Gesichter der Geschwister. Tara suchte Bahadurs Hand und drückte sie. Er erwiderte den Druck.
    »Biraj ist drinnen. Er wartet auf dich.«
    Bahadur hatte den Satz noch nicht ausgesprochen, als Tara einen Freudenschrei ausstieß und ins Haus rannte. Ihr Bruder folgte ihr langsam.
     
    Tara saß in dem kleinen Raum neben der Küche auf dem Lehmboden und häufte eine Handvoll Hirsekörner auf eine glatte Steinplatte. Dann sprenkelte sie etwas Wasser auf das Getreide und ergriff einen vom Fluss glatt geschliffenen, etwa faustgroßen Stein. Mit tausendfach geübten Bewegungen zerrieb sie mit dem Stein die Hirse zu einem breiigen Teig. Immer wieder gab sie etwas Wasser hinzu, bis die Hirse fein genug war und der Teig die gewünschte Konsistenz hatte. Dann klatschte sie ihn in eine große Blechschale und griff erneut in den Vorratssack mit der Hirse. Es war eine kraftraubende und langweilige Arbeit, doch Tara merkte kaum, was sie tat, sondern lauschte angespannt in die Küche, in der sich ihr Vater, Bahadur und Biraj ein hitziges Wortgefecht lieferten. Tara wusste, dass auch Ama und Hajuama in der Küche hockten, doch ihre Mutter und Großmutter sagten kein Wort. Den kleinen Dipak hatten sie mit einer Kerze in den Schlafraum geschickt, wo er Hausaufgaben machen sollte. Es war besser, er bekam nichts von dem Streit mit, doch Tara hörte hinter sich immer wieder ein verräterisches Schaben: Dipak lauschte genau wie sie.
    Durch den Durchgang konnte Tara lediglich Bahadur sehen, der mit angezogenen Beinen direkt neben der Außentür auf einer Bastmatte saß und mit beiden Händen einen Blechbecher umklammerte. Teedampf umwaberte sein gerötetes Gesicht und gab seiner Erscheinung eine ungewohnte Wildheit, die Tara gleichzeitig abstieß und anzog. Seine großen Ohren glühten ebenso wie seine Augen, und die Kerze in der Mitte des Raumes ließ seinen Schatten über die unebene Wand tanzen.
    »Wir wollen Gleichheit«, sagte Bahadur. »Wir wollen, dass es allen Bauern bessergeht, wir wollen, dass das Land gerecht verteilt wird.«
    »Dass es allen bessergeht? Ha!« Die Stimme ihres Vaters. Tara beugte sich vor, erhaschte aber nur einen Blick auf seine in die Mitte des Raumes ragenden Füße. »Und damit es allen bessergeht, zündet ihr Fabriken an und bringt Leute um.«
    »Umbringen? Buba, wir kämpfen gegen die Armee und die Polizei! Wenn wir sie nicht töten, töten sie uns.«
    »Mag ja sein. Aber was ist mit den Fabriken? Und den Bomben in der Hauptstadt? Ja, ja, staune du nur. Ich habe davon gehört, wie alle hier. Meinst du, es ist ehrenhaft, Unschuldige zu töten?«
    »Sie sind nicht unschuldig«, sagte Bahadur trotzig. »Sie stehen auf der Seite der Regierung, wie können sie da unschuldig sein? Die Parteien in Kathmandu widersetzen sich jedem

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